Titania: Das FSE spielt »Die Glasmenagerie«

Schweigen gehört zum Theaterspiel wie Pausen zur Musik. Beide Elemente – Musik sowie lange Gesprächspausen – nehmen einen bedeutenden Teil in der »Glasmenagerie« von Tennessee Williams ein, welche Reinhard Hinzpeter mit dem Freien Schauspiel Ensemble auf die Bühne bringt. Dabei spielen Schallplattenmusik und Sprechgesang genauso eine Rolle wie eine nur mit Kaugummikauen ausgefüllte Stille.
Das Stück spielt in der Erinnerung, wie Tom Wingfield (Niklas Fiedler), Erzähler und Figur zugleich, zu Beginn ankündigt. In der amerikanischen Großstadt St. Louis Ende der 20er Jahre zu Zeiten der Wirtschaftskrise. Das Bühnenbild von Gerd Friedrich spiegelt die ärmlichen Verhältnisse, in denen die Alleinerziehende Amanda Wingfield und ihre schon erwachsenen Kinder Tom und Laura leben. Eine alte Matratze, die Tom als Schlafplatz dient, ein zerschlissenes Sofa, ein schäbiger Esstisch mit drei Stühlen und ein Kühlschrank komplettieren die Einrichtung. Rückzugsorte gibt es keine, die zwei Geschwister schaffen sich mit kleinen Dingen ihre eigene Welt: Tom durch seine Liebe zu Literatur und Film, Laura mit ihrer Figurensammlung und den alten Schallplatten des Vaters. Dieser hat die Familie schon lange verlassen, einzig eine Fotografie von ihm thront auf dem Kühlschrank. Mutter Amanda klammert sich an die Vergangenheit (oft schwärmt sie von ihren zahlreichen Verehrern), versucht aber gleichzeitig, von Michaela Conrad wunderbar leicht überdreht und affektiert gespielt, ihren Kindern eine Zukunft zu bieten. Schon deshalb muss der absente Vater ersetzt und ein Ehemann für Laura gefunden werden, die wegen ihrer Gehbehinderung sehr unter Minderwertigkeitsgefühlen leidet. Sie hat daher keinen Schulabschluss und auch die Wirtschaftsschule musste sie abbrechen. Einzig die Pflege ihrer Fantasiegebilde aus Plastik gibt ihr Halt.
Die Glasmenagerie wurde von Hinzpeter zur Plastikmenagerie umgewandelt – die Zerbrechlichkeit der Illusionen wird damit durch die Darsteller selbst und nicht von Requisiten getragen. Gleichzeitig sorgen die von Niklas Fiedler hin und wieder eingestreuten Rap-Einlagen dafür, dass sich der Zuschauer keinen Illusionen hingibt: Sie kommentieren und karikieren das Geschehen – und stehen im erfrischenden Kontrast zur Melancholie der Schallplattenmusik.
Erst als Jim, Toms Kollege und Lauras insgeheime Jugendliebe, zum Abendessen kommt, ändert sich die ‚Alltagsplatte‘: Mit Kaugummi, Charme und Elan gelingt es Jim (Mario Linder), Lauras Panzer aus Scheu und Zurückhaltung zu knacken und sie sogar zu einem Tänzchen zu bewegen. Zu sehen, wie Laura, von Vivien Zisack hervorragend verkörpert, aus ihrer melancholischen Starre erwacht und sich immer selbstsicherer über die Bühne bewegt, lohnt allein schon den Besuch im Titania.
Doch Lauras Glück ist nur von kurzer Dauer: Jim zerbricht beim Tanzen nicht nur ihre Lieblingsfigur, sondern auch ihr Herz, indem er sie erst küsst und dann gesteht, mit einem anderen Mädchen verlobt zu sein. Als auch Tom sein Heim für immer verlässt, lösen sich die Illusionen endgültig auf. Gefangen in Trauer und Melancholie bleiben die Frauen zurück. Still und ganz ohne Musik.

Verena Rumpf (Foto: © Felix Holland)
Weitere Termine: 13., 14. April, 20 Uhr
www.freiesschauspiel-frankfurt.de

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