L‘amour est un oiseau rebelle: Theater Landungsbrücken lädt zweisprachig zum »Espresso Blues«

Was für ein Timing. Nur ein paar Tage nachdem Angela Merkel und Emmanuel Macron den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag verkündet haben, erfüllen die Landungsbrücken die Botschaft mit Leben. »Espresso Blues« heißt das Stück von Fabrice Melquiot, das Martin Haberstroh dort mit seiner Theatergruppe Spielwerker als deutsche Erstaufführung inszeniert. Bilingual ohne Über- oder Untertitel. Die Idee dazu kommt nicht vom Autor, sondern vom Regisseur, dem als Saarländer Französisch in die Wiege gelegt worden ist. »Im Theater und in der Liebe geht das«, wird versprochen. Und beides ist in diesem »Stück über das Leben, die Lust und den Tod« gegeben. Dazu reduziert Haberstroh die Zahl der Darsteller von acht auf zwei: auf Cyril (Ole Bechtold), der nur Deutsch spricht (und mal Englisch singt), und auf seine Traumfrau »Du« (Léa Zehaf), die in all ihren Erscheinungsformen nur Französisch zu hören ist (und zwischendrin »L’amore che cosa é!« wettert, weil alle Italienerinnen sind).
Melquiots schon 2002 uraufgeführtes Drama (im Original: »Percolateur Blues«) um den 30 Jahre alten Nachtportier Cyril handelt von einer Flucht, die zugleich Suche nach Erfüllung ist. Cyril nimmt uns mit auf eine vielleicht nur imaginäre Reise zu »Du«, die er drei Jahre nach einer einwöchigen Liaison unbedingt wiedersehen zu müssen glaubt. Dass Dus Stimme ihn ständig abzuhalten sucht, kann ihn nicht halten. Zurückgenommene elektronische Sounds designen akustisch die Reise in den Süden Italiens zu Frauen, die ihm als Zerrspiegel seiner Du wie wohl auch seiner Emotionen begegnen. Drei Namen (Donna Reed, Elena Grandi und Sofia Amoroso) stehen dafür als Titel der drei Akte zugleich für die drei Seelenzustände von Aufbruch, Reise und Ankunft, ja auch Geburt. Leben und Tod. Drei Kapitel voll dichter Assoziationen, die Filme, Opern, alles Mögliche zitieren und auch kaum zu begreifen wären, beherrschte man beide Sprachen perfekt. Ein Trost ist das aber nur bedingt.
Das Spiel von Bechtold und Zehaf findet zwischen zwei Sitztribünen auf einer länglichen Insel aus Korkschrot statt, am jeweiligen Ende ein Mikroständer. Ein Koffer liegt auf dem braunen Spielfeld, in der Mitte eine kleine Wanne und weit verstreut – on fume – zahllose leergerauchte Zigarettenschachteln. Bechtold gibt einen ständig räsonierenden Mann, der sich seine Überzeugung nachgerade einreden muss, um ihr zu folgen. Ein Esel, der sich die idealisierte Karotte, der er nachjagt, voller Selbstmitleid selbst vor die Nase hält. Aber auch ein Houllebecqverschnitt mit allen Sexualzynismen. Es gibt nichts, was uns zu ihm halten ließe in Bechtolds Spiel. Selbst wenn er am Ende resigniert in der Wirklichkeit ankommt, kann uns kein bisschen für ihn erwärmen. Bechtolds fast stoische Konstanz lässt freilich das changierende Spiel seiner wunderbaren Partnerin umso stärker leuchten. Jede ihrer Figuren reagiert auf ganz eigene Weise auf das, wofür sie diesen Mann braucht. Die junge Französin, die in Frankfurt an der HfMDK studierte und in »Birdland« im Bockenheimer Depot zu sehen war, besticht durch ihre Wandelbarkeit und klare sprachliche Distinktion gewiss auch die, die nicht viel mehr als l’amour und je t’aime verstehen, und macht die 90-minütige Schau zum Fest. Verstanden hätte man sie aber auch ganz gerne.

gt (Foto: © Spielwerker)
Termine: 27., 28. April, 20 Uhr
www.landungsbruecken.org

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