Das Mainzer Staatstheater zeigt im U17 »Status« von Chris Thorpe

Dies ist kein Stück über den Brexit – so lautet klar die Ansage zu Beginn der Aufführung. Und doch ist der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union die Ursache für das Entstehen dieses Stückes, das sich mit verschiedenen Fragen beschäftigt: Wohin fliehen, wenn einem das eigene Land fremd geworden ist? Wie umgehen mit einer grenzenlos erscheinenden Freiheit, die in Sachen Herkunft und Identität doch immer wieder an ihre Grenzen stößt? Der englische Autor und Performer Chris Thorpe aus Manchester hat – in Koproduktion mit dem Staatstheater Mainz – mit »Status« ein Stück geschrieben, das dem Wert der Nationalität in Zeiten eines immer radikaler werdenden Nationalismus auf den Grund geht. Eine Arbeit, die mit dem Fringe First Award ausgezeichnet wurde, und deren deutschsprachige Version (Übersetzung: Katharina Schmitt) unter der Leitung von Jana Vetten Ende November Premiere feierte. Vetten hat aus dem Ein-Mann-Stück ein Eine-Frau-Stück gemacht, in dem Paulina Alpen grandios in die Rolle der Ich-Erzählerin schlüpft, ihre Geschichte erzählt und nebenher auch noch singt und Gitarre spielt. Dabei bewegt sie sich auf, neben oder um einen zirka zwei Meter hohen Pappfelsen, die einzige Requisite auf der sonst leeren Bühne (Ausstattung: Eugenia Leis).
Thorpe hört man ganz zu Beginn auf Band: Er erzählt, wie er in Serbien der Polizeiwillkür nur durch sein britischen Pass entkommen ist, was ihn über seine (privilegierte) Nationalität und sein Land grübeln lässt, mit dem er sich nicht mehr identifizieren kann. Umso mehr, als Theresa May im Oktober 2016 auf einer Parteikonferenz der Konservativen sagte, dass ein Weltbürger nirgendwo Bürger sei: »If you believe you are a citizen of the world, you are a citizen of nowhere.« Diese zwei prägenden Erlebnisse veranlassen Chris zu einem Gedankenexperiment: Was wäre, wenn er seinem Land den Rücken kehren und sich eine andere Identität suchen würde? Seiner Phantasie lässt er dabei freien Lauf und so führt ihn sein fiktives Roadmovie nach Frankfurt und zur Pulse-of-Europe-Bewegung, über das Monument Valley und das eigenständige Navajo-Indianerreservat in den USA bis nach Singapur. Dabei trifft er auf wundersame Figuren, wie eine sprechende Kojotin, den staatenlosen Ex-Amerikaner Dave oder einen in einer Pappfigur wohnenden Geist. Wie im Brecht‘schen epischen Theater unterbrechen Lieder, von Paulina Alpen wunderbar vorgetragen, immer wieder die Fiktion, reflektieren das Geschehen und werfen gleichzeitig die Frage auf: Würde es dem Menschen ohne staatliche Zugehörigkeit besser gehen?
Keine Lebensweise, kein Reichtum und kein Ratschlag der Welt können Chris jedenfalls davon überzeugen, seine Nationalität aufzugeben. Selbst seine Pässe (ja, er besitzt zwei davon!), die er versucht loszuwerden, kehren auf wundersame Weise wie ein Bumerang immer wieder zu ihm zurück. Und so wird die Flucht vor der gewissermaßen oktroyierten Identität zu einer Selbstfindung, die ihn am Ende zum Ausgangspunkt zurückführt: zu seinem »Felsen«, nach Großbritannien. Hier kann er sämtliche Landschaften namentlich aufzählen, was ihm zwar nicht den Begriff der Nation, aber zumindest seine Heimat näherbringt.

Verena Rumpf (Foto: © Martina Pipprich)
Termine: 5. Januar, 19.30 Uhr und 27. Januar, 18 Uhr
www.staatstheater-mainz.com

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