»Wunder der Wirklichkeit« von Thomas Frickel

Es sollte der Höhepunkt eines satirischen Kurzfilms zum Thema Sicherheit werden und wurde eine Katastrophe. Das für den Dreh gecharterte Flugzeug stürzte am 22. Dezember bei Heidelberg ab. 28 Menschen starben und drei überlebten mit schweren Verletzungen. Der Film »Bunkerlow« blieb unvollendet.

Und mit ihrem phantasiebegabte Gründer, dem Rüsselsheimer Martin Kirchberger, starb eine dadaistische  Bewegung vor den Toren Frankfurts: die Gruppe Cinema Concetta. Zwischen Studentenulk und hintergründigem Humor war sie angesiedelt mit ihren Kurzfilmen und Aktionen, als Pioniere der Gattung Mockumentary, als Performance- und Aktionskünstler.
Liebevoll, traurig und bewundernd hat jetzt Weggefährte Thomas Frickel, der damals nicht im Flugzeug dabei war, Martin Kirchberger und seiner Gruppe ein filmisches Denkmal gesetzt und uns zurück in die turbulente Zeiten des Protestes gegen die Stadtbahn West geführt.
Ob Rüsselsheim in den 80er-Jahren wirklich so provinziell und verspießert war, wie der Film »Wunder der Wirklichkeit« unter Zuhilfenahme einiger Zeitzeugen behauptet, mag dahingestellt bleiben. Wichtiger ist, dass die Gruppe in Vergessenheit zu geraten droht, weil wir eine wichtige Kulturleistung in unserer Region gar nicht vermuten. Wir schauen eben lieber auf New York, Paris oder London und die dortigen Trends.
Doch dass Martin Kirchberger und seine Gruppe einiges zu bieten hatte, zeigt Frickel in seiner Dokumentation, die gerade auf dem Lichter Filmfest zu sehen war. Neben Erinnerungen von Weggefährten – einige von ihnen haben aus glücklichen Fügungen an dem Flug nicht teilnehmen können – enthält sie Ausschnitte aus den pseudo-dokumentarischen Kurzfilmen, die ebenfalls bei Lichter zu sehen waren und demnächst auch in ausgewählten Kinos gezeigt werden sollen. Es lohnt sich, sie anzuschauen. Die dem satirischen Kurzfilm gewidmeten Rüsselsheimer Filmtage stehen in ihrer Tradition und setzen sie bis heute fort.

Claus Wecker
WUNDER DER WIRKLICHKEIT
von Thomas Frickel, D 2017, 101 Min.
mit Martin Kirchberger, Thomas Frickel
Dokumentarfilm / Start: 24.05.2018

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