Was du nicht willst … (80)

Aha, so ist das also: nun sollen doch endlich die Griechen nach dem Willen der übrigen Euroländer auch am Sonntag einkaufen können, um durch den damit steigenden Konsum die griechische Wirtschaft entscheidend in Schwung bringen zu können. Das zumindest ist eine explizite Forderung in der »Erklärung des Euro-Gipfels« vom 12. Juli dieses Jahres zu den beiden Reformpaketen, die das griechische Parlament verabschieden musste, um an weitere Hilfsgelder zu kommen. Ausgerechnet unter tätiger Mithilfe deutscher Christdemokraten wird der unchristlichen Sonntagsarbeit Vorschub geleistet, die hierzulande mit der geballten Macht der Gewerkschaften und Christenkirchen verhindert wurde. Na ja, bis auf eine Reihe von Ausnahmen wie Bäckereien und ein paar verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Die häufig von religiöser Eiferei getriebenen Vereinigten Staaten hat das ja sowieso noch nie gestört, wird doch mit jeder Dollarnote beim Einkauf im sonntäglich geöffneten Supermarkt das Bekenntnis »in God we trust« abgeliefert. Vielleicht hat das ja auch dazu geführt, dass unsere amerikanischen Konsumfreunde schon kleinste Kassenbeträge mit dem Scheckbuch begleichen. Auf den Schecks befinden sich nämlich keine solchen Treuegelöbnisse.

Und noch eine Forderung der Euroländer an Griechenland scheint von der amerikanischen Konsumideologie geprägt zu sein: in Griechenland sollen dort nicht verschreibungspflichtige Medikamente fürderhin nicht mehr nur in Apotheken verkauft werden dürfen. Aspirin im Supermarkt, um damit den Wettbewerb zu fördern. Da fragt man sich schon, warum auch diese Maßnahme für unser Land undenkbar scheint. Die Macht der hiesigen Apothekerzunft scheint die der griechischen Regierung bei weitem zu übersteigen.

Aber ich will mich hier über die immensen Anstrengungen, die den Griechen über dieses letzte Sparpaket auferlegt werden, gar nicht lustig machen. Es gibt da halt die Widersprüche zwischen der eigenen und der fremden Haustür. So wird zwar von den Griechen eine Rente mit 67 wie bei uns gefordert. Aber während hier eine schrittweise Anpassung bis ins Jahr 2031 ausgedehnt wurde, ganz zu schweigen von der sozialdemokratischen Rolle rückwärts zur 63er Ausnahmerente, sollen die Griechen sie ohne Schonfrist von heute auf morgen umsetzen. Und auch mit all den anderen Forderungen wird schon massiv und schmerzhaft in die griechische Autonomie eingegriffen.*) Dass die, die zahlen, auch über die Musik entscheidend bestimmen können, mag ja durchaus nachvollziehbar sein. Und in dieser Hinsicht finde ich das selbstgeißelnde Schäuble-Bashing mit angedockter Hässliche-Deutsche-Rethorik nicht wirklich angebracht. Selbst der besserwisserische amerikanische, Nobelpreis tragende Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman, der noch vor kurzem den Deutschen die Schuld am europäischen Desaster in die Schuhe schieben wollte, gab nun in einem Interview kleinlaut zu, dass er die Kompetenz der neuen griechischen Regierung überschätzt habe.

Nein, wo die Kritik ansetzen sollte – und damit ist auch und besonders die deutsche Regierung gemeint -, ist bei der europäischen Ungleichbehandlung: muss das europaaffine Griechenland schwer bluten, um europäisches Geld zu kriegen, und das auch nur geliehen, werden dem nahezu antieuropäischen England die Milliarden für den Bau und Betrieb eines neuen Atomkraftwerkes quasi bedingungslos (und unverantwortlich) in den Hintern geschoben. Mit dem Geld, das der deutschen Ausstiegspolitik Hohn spricht, könnten in Griechenland ja nicht nur die Schulden gemindert werden, sondern  die Wirtschaft könnte z.B. mit einer massiven Förderung von regenerativer Energie angeheizt werden. Sonne und Wind gibt’s in Griechenland ja fast genauso massenhaft wie Feta und Oliven. Und an dieser Stelle wäre angesichts der Haltung der deutschen Regierung tatsächlich ein entsprechendes Bashing angebracht.

Davon ist allerdings wenig zu hören.

*)nachzulesen: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/07/pdf/20150712-eurosummit-statement-greece/

Jochen Vielhauer

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