Stalburg Theater zeigt die erste Folge von »Das Leben des Vernon Subutex«

Die Zeiten von High Fidelity hat Vernon zwar mitgekriegt, aber die sind definitiv vorbei, als er seinen Plattenladen »Revolver« schließen muss, und dann auch noch aus seiner Wohnung fliegt, nachdem sein letzter Gönner, der ihm die Miete finanzierende Rockstar Alex Bleach durch ein Teamwork von Champagner und Pillen in der Hotelbadewanne abgeschmiert ist. Virginie Despentes Absteiger-Drama verhält sich zu Nick Hornbys Love-Story wie ein Schnaps zu Limonade. Und das, obwohl nach Meinung der Romankennerin Heidrun und ihrer nicht minder belesenen Freundin in der Reihe hinter mir die Bühnenadaption von Katja Lehmann die derbe Sprache der französischen Vorlage spürbar und wohltuend abgemildert habe.
Wie aufwendig es für Michi Herls Stalburg Theater war, die Genehmigung der Autorin für diese erst zweite theatralische Umsetzung ihres Werks in Deutschland zu kriegen und vor allem zu realisieren, das haben wir hier im Februar berichtet. Nun aber zum ersten Ergebnis, das sich aus einer stufenförmigen Konstruktion aus verschiebbaren Metallflächen vor einer kinoreifen Leinwand (Bühne: Herbert Huber, Moritz Bauer) vollzieht. Auf letzterer werden immer mal wieder atmosphärische Bilder von Handlungsplätzen eingestreut, vor allem aber das Gros von mehr 30 Romancharakteren filmisch perfekt (Till Caspar Juon) in Szene gesetzt: alle derart großartig variabel gespielt und gesprochen von Christoph Maasch und von Iris Reinhardt Hassenzahl, dass man im Publikum nie Gefahr läuft, den Faden zu verlieren. Mit einem Minimum an Requisiten wechseln die zwei ihre Identitäten und führen dabei live, aber auch im Film, ihre perfekt abgestimmten Dialoge – im Falle von Vernon gerne auch mal mit sich selbst als inneres Zwiegespräch. Großes Kino ist das im kleinen Theater:
Worum aber geht es? Vernon gehört zur Postpunk-Generation der heute 50-jährigen und sein Motörhead-T-Shirt spiegelt deren großen gemeinsamen musikalischen Nenner, auch wenn im üppig gespickten starken Soundtrack des Abends Lemmy Kilmister – Gott sei ihm gnädig – nicht einmal zu hören ist. Das Stück beginnt für Vernon jedenfalls da, wo Dramen und Tragödien gewöhnlich enden: am Boden, ausgezählt im Boxkampf des Lebens. Und obwohl sein Lebensmotto ist, zu tun, als sei nichts geschehen, geht seine Romanreise in den sozialen Süden, abwärts also, hier erst richtig los. Wo immer ein Fünkchen Hoffnung glimmt, weiß er es mit untrüglichem Instinkt auszutreten. Ein Tonband mit Bekenntnissen des verstorbenen Rockstars, um das sich alle reißen, scheint nur kurze Zeit Rettung zu bringen, macht Vernon aber plötzlich zum Gejagten und das Stück zu einem Krimi.
Der Absturz des Protagonisten in den Sumpf der Randexistenzen geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern findet in einer sich rapide verändernden sozialen Wirklichkeit statt, die uns keineswegs fremd bleibt. Der brisante Blick auf die Gesellschaft aus der Perspektive des Supermarkt-Bettlers ist keine Pariser Spezialität – aber auch kein finaler. Volume II folgt ab 10. März, Volume III ab dem 15. April.

Winnie Geipert (Foto: © Niko Neuwirth)
Termine Vol. I: 3. März, 20 Uhr
Termine Vol. II: 10., 11. März, jeweils 20 Uhr
Aufeinander folgende Termine Vol.I/Vol.II: 17./18. März; 30./31. März, jeweils 20 Uhr
www.stalburg.de

>> Spendenaufruf

Die Subutex-Trilogie ist ein Mammutwerk. Teil 1 ist erfolgreich auf die Bühne gebracht. Im März folgt Teil 2, im April dann Teil 3. Kein kleines Unterfangen für ein nicht ganz so riesiges Theater. Kurzum: Gutes Theater kostet Geld … Wenn Sie können und wollen, freut sich das Stalburg Theater über Unterstützung. Hier können Sie spenden: www.gofundme.com/subutex

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