Städelmuseum: 200 Jahre Meisterzeichnungen im Blick zurück

Der-die-das Städel – welcher Artikel passt denn nun? Mit allen dreien kann etwas verbunden werden: als erstes wohl »das« auffallende klassizistische Gebäude am Main von 1878 mit seiner groß angelegten Fassade und Auffahrt, umgangssprachliche das Städeleben (Wo ist das Städel? fragen die Touristen) ohnehin DAS Städel genannt, dann »die« dort ausgestellten Kunstobjekte, die Städel- Sammlung , die »der« Herr Johann Friedrich Städel (1728–1816), seines Zeichens Kaufmann, Bankier und Kunstsammler, vor über 200 Jahren zusammengetragen hat.
Zunächst zeigte er sie Freunden und Bekannten in seinem Haus am Roßmarkt, dann in der Villa Thurn und Taxis. In seinem Testament überführte er sie 1815 in eine noch zu gründende Stiftung eines »öffentlichen für alle zugänglichen Kunstmuseums«. Eine Bildungseinrichtung sollte dieses Städelsche Kunstinstitut, so jetzt der offizielle Name, sein, und »zum Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft« dienen. Natürlich blieb diese letzte Verfügung des ledigen und kinderlosen Städel nicht unangefochten. Die entfernte Verwandtschaft erreichte einen Vergleich – es ging schließlich neben den Kunstwerken um die unglaublich hohe Summe von 1,3 Millionen Gulden – doch dann konnte 1828 das Kunstinstitut seine pädagogische Arbeit aufnehmen und auch die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Damit sind auch wir heute Erben des Städelschen Nachlasses geworden.
Nicht ganz einfach war es für die Kuratoren, aus den in der Sammlung vorhandenen über 4.600 Zeichnungen zu rekonstruieren, welche ursprünglich schon in der Sammlung des Stifters bis 1815 vorhanden waren. Ein vollständiges Inventar aus dieser Zeit gibt es nicht. Nun ist es gelungen, zirka 3.000 Werke namhaftester europäischer Künstler dieser seiner Sammlung zu identifizieren. Ein kleiner Teil davon, 95 Meisterzeichnungen aus diesem Basisbestand werden heute in der Kabinettausstellung (kleiner Saal linker Hand) präsentiert. Die Vielzahl berühmter Namen werden in der Sammlungstradition des Stifters nach »europäischen Schulen« geordnet gezeigt: Italiener, Franzosen und Niederländer in einem mittleren Block, die deutschen Exponate in einer Art Außenkranz an den seitlichen Wänden. Das älteste Exponat, um 1500, »Kopf und Oberkörper eines alten Mannes« – eine eindrucksvolle Zeichnung mit roter und weißer Kreide – wird Lazarino Donato Bramante zugeschrieben, das jüngste, »Der Marktplatz von Steenwijk« des Niederländers Cornelis Pronk, ist auf das Jahr 1754 datiert. Es überrascht – mit Pinsel, Stift und Feder in Schwarz-Grau – durch seine Detailgenauigkeit mit äußerst differenzierten Graustufen. Am schönsten fand die Rezensentin Hendrick Goltzius »Vier Studien einer rechten Hand« (1588/89) und Raffaels Kreidezeichnung »Karyatide« mit den dunklen (behaarten?) Achselhöhlen. Lustig wirkt auch Dürers »Mann mit Löwe« (1517), der entweder einen spitzen Bart hat oder dem angriffslustigen Löwen erfolgreich die Zunge herausstreckt …
Auf manchen Bildern lässt sich noch der Eingangstempel des neu gegründeten »Städelschen Kunstinstituts« erkennen. Bis heute nimmt es seine Aufgabe zur Ausbildung von Kunststudent*innen wahr. Mit einer von der Stadt unabhängigen Verwaltung durch Administratoren wurden auch politisch unruhige Zeiten ohne größere Schäden überstanden, zum »Besten der Stadt und hiesiger Bürgerschaft«. Wie gut.

Katrin Swoboda
(Foto: Raffael Karyatide, © Städel Museum/U. Edelmann)

Bis 16. August: Di., Mi., Sa., So., 10–18 Uhr; Do., Fr., 10–21 Uhr
www.staedelmuseum.de

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