Staatstheater Darmstadt: In »Jeeps«geht es um das Erben und die Gerechtigkeit

Mit dem Thema »Erben«, mithin der gerechten Verteilung von Wohlstand, beschäftigt sich die Versuchsanordnung in dem Stück »Jeeps« von Nora Abdel-Maksoud am Darmstädter Staatstheater. In der 2021 an den Münchner Kammerspielen in der Inszenierung der Autorin uraufgeführten Diskurskomödie fällt das Wort von der »Eierstocklotterie«, das Warren Buffett geprägt hat. Um es zu etwas zu bringen, so der amerikanische Börsenspekulant, müsse man schon auch ein bisschen Glück bei der Geburt haben; entgegen dem kapitalistischen Mythos hänge nicht alles von harter Arbeit und Fleiß ab.
Es braucht einige Zeit, bis in Jessica Weisskirchens Inszenierung dieser Klassismus-Satire tatsächlich die Funken sprühen. An die Stelle der Eierstocklotterie ist in dieser Spaßtopie eine allgemeine Erbschaftslotterie getreten, angesiedelt bei den Bürokraten des Jobcenters. Mit diesem Verfahren ist selbstredend nicht ernstlich für Gerechtigkeit gesorgt, immerhin aber hat jeder die Chance auf das große Los. Weisskirchen inszeniert das als Show mit zugespielten Popsongs. In einer stilisierten Weise behördenkühl wirkt der sich nach hinten verjüngende lilagraue Raum der Ausstatterin Wanda Traub; an den Seitenwänden tun sich Klappen und Laden auf. Gleich dem Spiel der Akteure sind die Requisiten auf eine kabarettistische Schrillheit getrimmt, mit Relikten wie einem Stempel und einem orangen Tastentelefon aus den siebziger Jahren. Eine Kunstwelt, wie aus der Realität geschnitten ist einzig der Wartenummernautomat mit Anzeige samt den Schalensitzen rechts und links der Bühne. Da sitzt stumm eine Gruppe von Wartenden in Grautönen, die ab und an als Bewegungschor durch die Szenen geistert. Grell aufgemacht dagegen die vier Figuren, anhand derer unterschiedliche Positionen in einem System, in dem jeder auf seine Art drinsteckt, manifest gemacht werden.
Die Sachbearbeiterin A(r)mina – Mariann Yar – spricht mit Blick auf die Entrechteten von »Opferwürsten«. Später offenbart sich, dass sie mit ihrer Ruppigkeit eine Empathie überspielt, die sie in der Vergangenheit zu einem selbstruinösen Handeln getrieben hat. Ihr Kollege Gabor – Hisham Alnamer – wirkt zum Erbarmen klein mit seinem Lebenstraum vom Mercedes-Geländewagen, den er sich auf Pump erfüllt hat.
Ernstlich Fahrt nimmt der Abend mit dem Auftritt von Karin Klein als Silke auf. Die von staatlicher Hand Enterbte der glamourösen Gestalt hat sich mit dem selbsternannten Schriftsteller Maurice – Sebastian Schulze – zusammengetan zwecks einer Erpressung wider die beiden Amtsleute. Woraus einige szenische Turbulenz und Überdrehtheit resultiert. Mit einem diskret komödiantischen Spiel sorgt Klein für munter entlarvende Momente am Stück. Sicher, Geld fürs Studium habe sie bekommen von ihrem Vater, aber sie habe auch als Kellnerin gejobbt. Studiert hat sie Produktdesign und dann, na klar, ein Start-up gegründet. Tablet-Taschen für SV-Darmstadt-98-Fans. Was das Erbe anlangt: Irgendeine Form von Alterssicherung müsse ja auch sie schließlich haben.
Wie sie so daherredet, hier und da mit Ausflügen in den hessischen Dialekt, das ist sehr lustig, zumal es nah dran ist an dem, wie Privilegierte in der Wirklichkeit ein Bewusstsein signalisieren und zugleich ihre Privilegiertheit herunterspielen.
Ernstlich denunziert wird diese Figur so wenig wie irgendeine andere. Fortwährend tun sich Widersprüche auf, und so sieht man sich amüsiert in einer ungeachtet der Abstriche durchaus ansprechenden Art.

Stefan Michalzik / Sinah Oser
Termine: 27. Juni, 6. Juli, 19.30 Uhr
www.staatstheater-darmstadt.de

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