Schauspiel Frankfurt: Felicitas Brucker inszeniert Michael Kohlhaas

Gerhart Hauptmanns Drama »Die Ratten» hat die Regisseurin Felicitas Brucker für das Schauspiel Frankfurt in ein vieldeutbares Plexiglas-Rondell verfrachtet. Jetzt knöpft sie sich für das Große Haus Heinrich von Kleists Erzählung »Michael Kohlhaas« vor, um die Motivik »eines der zugleich rechtschaffensten und zugleich schrecklichsten Menschen seiner Zeit« (Kleist) zu zerlegen. Jedenfalls legen das die ersten Bilder der Generalprobe nahe, die – warum auch immer – Wochen vor der Premiere und noch vor den Ferien stattfand.
Kleists Frühvariante von »Ein Mann sieht rot« zeigt auf, wie ein braver Pferdehändler aus verletztem Ehr- und Gerechtigkeitsgefühl zum brandschatzenden Rädelsführer, aus einem vorbildlichen Staatsbürger mit hohem Identifikationspotenzial ein Terrorist wird. Loteten vor geraumer Zeit die Kohlhaas-Inszenierungen noch romantisch das rebellische Potenzial der Figur im Sinne von »Macht kaputt, was euch kaputt macht« aus, so hat sich die Perspektive doch drastisch verschoben.
So macht auch Felicitas Brucker, einem Vorbericht von Claudia Schülke auf der Kulturseite des Rhein-Main-Teils der FAZ zufolge (andere Recherchen waren in den Theaterferien nicht möglich), in dieser immergrünen Schullektüre starke Parallelen zu aktuellen Befindlichkeiten in der Gesellschaft aus. »Erst nachdem er sein Vertrauen in Justiz und Staatssystem verloren hat (…), sieht er (Kohlhaas) sich jeglicher Verpflichtung dem Staat gegenüber entbunden«, wird die Regisseurin da zitiert. Eine Lesart, die fleißigen Frankfurter Theatergänger*innen aus einer Inszenierung von Alexander Brill für die Theaterperipherie vertraut sein dürfte, die das radikalisierte Wutbürgerpotenzial in Kohlhaas hervorkitzelte.
Brucker weitet indessen den Blick auf die Gesellschaft aus und vertieft ihn zugleich, indem sie etwa der Figur des Kohlhaas-Kampfgenossen Spangenbarg nachgeht. »Er steht für eine Gruppierung junger Menschen, die grundsätzlich nicht mehr bereit sind, die vorherrschende Gesellschaftsform zu akzeptieren.« Das Fazit der Regisseurin verspricht aufregende 90 Minuten. »Das ist der Zustand unserer Gesellschaft. Wir sitzen auf einem Pulverfass. (…) Gewalt und Gegengewalt, das Polizeiaufgebot und die Wut der Bürger nehmen kontinuierlich zu.« Sebastian Reiß spielt den Kohlhaas, weitere Mitwirkende sind Stefan Graf, Sarah Grunert, Nils Kreutinger, Annie Nowak und Matthias Redlhammer.

gt (Foto: © Thomas Aurin)

Termine: 19. September, 18 Uhr; 26., 29. September, jeweils 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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