Remake 2 – Frankfurter Frauen Film Tage vom 26.11. bis 1.12.2019

HerStory, vom »Fischfang in der Rhön« bis zur Filmerinnengruppe »Rote Zora«: zum zweiten Mal wird auf dem Festival »Remake« die faszinierende Bandbreite weiblicher Filmarbeit gewürdigt und der Leidenschaft für analoges Kino gehuldigt, mit Filmen, Vorträgen, und Gesprächen mit filmschaffenden Frauen aus der ganzen Welt.

»Film ist die Kunst, mit hübschen Frauen hübsche Sachen anzustellen«, so lautet ein François Truffaut zugeschriebenes Zitat. Sprüche wie dieser finden heutzutage keinen Beifall mehr. Doch das Kino ist immer noch weitgehend HiStory, geprägt durch den männlichen Blick auf Frauen, auf die Welt, auf Vergangenheit und Gegenwart.
Regisseurinnen, überhaupt weibliche Filmschaffende, die nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera wirken, stellen heute noch die Ausnahme von der Regel dar. Dabei waren Frauen seit den Pioniertagen des Mediums Film mit dabei.
Der Frankfurter Verein Kinothek Asta Nielsen e.V., in dem Karola Gramann, Heide Schlüpmann und Gaby Babic federführend sind, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen ausgeblendeten Aspekt der Filmgeschichte wieder ins Licht zu rücken – mittels Workshops, Retrospektiven und Film-Restaurierungsprojekten. 2019 gibt es zwei Dinge zu feiern: das zwanzigjährige Jubiläum der Kinothek und die zweite Runde des von dem Verein erstmals im vergangenen Jahr aus der Taufe gehobenen Festivals »Remake. Frankfurter Frauen Film Tage«. Das Festivalprogramm umfasst 40 Filme, zu sehen an mehreren Abspielorten in und um Frankfurt, und begleitet von Symposien mit Gästen, von Diskussionen und Festen.
Das übergreifende Thema ist diesmal »HerStory«, eben jene so oft verschüttgegangene weibliche Perspektive, verbunden mit der Frage, ob und wie Frauen in der Filmproduktion anders arbeiten, Geschichte anders vermitteln. In »Daughters of the Dust« (1991) von Julie Dash geht es um die Geschichte einer Gullah-Familie, den Nachfahren afrikanischer Sklaven. Es ist kein herkömmliches Historiendrama, sondern erzählt in der nonlinearen Struktur der afrikanischen Griot-Tradition von Frauen, die als Bewahrerinnen des kulturellen Erbes auftreten. Der Dokumentarfilm »Das falsche Wort« (1987) von Katrin Seybold berichtet von der Verfolgung der deutschen Sinti in der NS-Zeit, aus der Sicht der Opfer und ihrer Nachkommen. Aufsehen erregte 1966 das Drama »Flügel« von Larissa Shepitko, einer Ikone des Sowjetkinos, das von einer ehemaligen Kampfpilotin und Stalinistin handelt, die als Lehrerin nicht mehr mit der neuen Zeit zurechtkommt.
Nicht nur für Lokalpatrioten dürften besonders die Filme von Ella Bergmann-Michel (1895–1971), einer avantgardistischen Malerin, Fotografin und Filmemacherin, die seit 1920 in Eppstein im Taunus in der Schmelzmühle lebte, interessant sein. Vor der Verhängung des Berufsverbots durch die Nationalsozialisten 1933 drehte die Mitbegründerin der Gruppe »Das Neue Frankfurt« fünf Kurz-Dokumentarfilme, darunter »Fliegende Händler in Frankfurt am Main«, »Fischfang in der Rhön« und »Wahlkampf 1932 (letzte Wahl)«. Die Werkschau wird ergänzt durch ein Filmporträt über die Künstlerin und durch Vorträge von Filmwissenschaftlerinnen.
Zum Konzept von »Remake« gehört auch die Würdigung von feministischen Filmfestivals. Dieses Mal wird an die 1987 in der Perestroika-Phase während des Filmfestivals in Moskau von 300 Filmfrauen aus 24 Ländern gegründete Organisation Kino Women International (KIWI) erinnert. Die Ziele der kurzlebigen, im Zuge der Turbulenzen jener Jahre bald aufgelösten KIWI bestanden in einer besseren Vernetzung und Distribution von Filmen von Frauen. Zu Gast sind Zeitzeuginnen und Akteurinnen jener Zeit, darunter die einstige Präsidentin des KIWI, Lana Gogoberidze. Dazu läuft Gogoberidzes viel debattierter Film »Ramdenime Interviu pirad sakitkhebze« (Einige Interviews zu persönlichen Fragen) von 1978, in dem sie anhand von Interviews mit Frauen traditionelle Rollenerwartungen hinterfragt. Die Situation von Frauen in der sowjetischen Filmindustrie wird außerdem in Sally Potters 1987 gedrehter Dokumentation »I Am an Ox, I Am a Horse, I Am a Man, I Am a Woman« beleuchtet. Dank der Glasnost-Ära konnte die renommierte britische Autorenfilmerin zahlreiche Filmausschnitte und Interviews verwenden, die zuvor nicht im Westen gezeigt werden durften.
Darüber hinaus bietet das Festival die Gelegenheit, auch Bekanntes mal wieder auf der großen Leinwand zu sehen: etwa Sally Potters feministischer Klassiker »Orlando« (1992) mit Tilda Swinton, »Menschenkind« (1998), Jonathan Demmes Verfilmung eines Romans von Nobelpreisträgerin Toni Morrison, der Western »Meek’s Cutoff – Auf dem Weg nach Oregon« (2010) von Kelly Reichhardt, der auf den Aufzeichnungen von Siedlerfrauen des Oregon Trails basiert, und auch das Aussteiger- und Coming-of-Age-Drama »Leave No Trace« (2018) von Debra Granik, das, wiewohl hochgelobt, nur kurz in hiesigen Kinos lief.
Zu den Klassikern gehört auch »Gendernauts – Eine Reise ins Land der Neuen Geschlechter« (1999), in dem Monika Treut (auf dem Festival zu Gast) in San Francisco das Phänomen von Trans-Geschlechtlichkeit erforscht. Das Queer Cinema ist in mehreren Filmen, darunter dem Internatsdrama »Olivia« (1950) von Jacqueline Audry, und »Rote Ohren fetzen durch Asche« (1991), einer wüsten Mischung aus Trash, Lesbenporno und Science-Fiction, vertreten. Ganz neu ist die Dokumentation »Frauen bildet Banden« (2019), die an die Geschichte der militanten Frauengruppe Rote Zora erinnert. Im Anschluss findet ein Gespräch mit der FrauenLesbenGruppe Frankfurt statt.
Nicht fehlen im Festivalprogramm dürfen wieder entdeckte und restaurierte Stummfilme wie »Hindle Wakes/Jahrmarkt der Liebe« (1926/27), einer der spektakulärsten britischen Filme der zwanziger Jahre. Das damals Aufsehen erregende Emanzipationsdrama wird mit speziell für diesen Anlass komponierter Live-Musik von Maud Nelissen im Schauspiel Frankfurt aufgeführt. In dieser Welturaufführung ihrer neuen Filmmusik wird die niederländische Stummfilmpianistin von einem vierköpfigen Ensemble begleitet. Nelissen wird außerdem bei den Stummfilmen Dramen »Thora van Deken – A Mother’s Fight« (1920) und »The Child Thou Gavest Me« (1921) aufspielen.
Auf der Festivalparty am 30.11. im Café KoZ gibt’s dann Musik von fünf Frankfurter DJ’s, und eine Performance des intersexuellen Künstlers und Filmemachers Vaginal Davis.

Birgit Roschy
Foto: Die Kuratorinnen (vlnr) Gaby Babic, Karola Gramann, Heide Schluepmann
© Gunter Deller
Mehr Infos auf www.remake-festival.de und auf Facebook.

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