»Paula« von Christian Schwochow

Verständnisvoll gemalt

Paula Modersohn-Becker gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des frühen Expressionismus. So bewarb man vor neun Jahren einen Dokumentarfilm, der vom Bremer Modersohn-Becker Museums zum 100. Todestag der Malerin in Auftrag gegeben worden war. Christian Schwochow, der Filmemacher mit einer Schwäche für starke Frauenfiguren, hat jetzt das kurze Leben (1876–1907) dieser außergewöhnlichen Frau in einem Spielfilm dramatisiert.

Man fragt sich schon, wie die couragierte Künstlerin in den wenigen Jahren, die ihr zur Verfügung standen, ein so umfangreiches Werk hinterlassen konnte. Denn am Willen, das, was man gemeinhin »das Leben« nennt, kennenzulernen, fehlte es ihr keineswegs. Künstlerin will sie bereits als junges Mädchen werden, doch seinerzeit wird für junge Damen das Malen allenfalls als eine mögliche Freizeitbeschäftigung angesehen. Frauen stehen Modell und Männer malen sie.
Paula setzt sich durch und geht nach Worpswede, in die Malerkolonie, um bei dem bekannten Maler Fritz Mackensen einen Ferienkurs zu besuchen. Sie verlangt mehr als die übliche Anleitung für höhere Töchter, die dabei auch einen Flirt suchen, um sich nicht zu langweilen. Sie freundet sich stattdessen mit Clara Westhoff an, und beide schmieden hochfliegende Pläne von einer Karriere als Künstlerin. In dem Maler Otto Modersohn begegnet sie einem Förderer, der ihr Talent erkennt und ihr Selbstbewusstsein akzeptiert. Es bleibt nicht aus, dass sich beide ineinander verlieben, zumal sich Paula auch mit Elsbeth, Modersohns Tochter mit dessen verstorbener ersten Ehefrau, sehr gut versteht. Statt die Schönen und Reichen zu porträtieren, geht die Unangepasste in die Elendshäuser und malt dort die von Entbehrungen gezeichneten Frauen und deren Kinder.
Aber Paula hält es nicht in der deutschen Provinz, zumal es mit dem ehelichen Liebesleben nicht zum Besten bestellt ist. Sie geht nach Paris, wo sie Anerkennung von Kolleginnen und Kollegen sowie von Rainer Maria Rilke findet, der ja bekanntermaßen einen erlesenen Geschmack, nicht nur in Kunstdingen, besaß.
Vielleicht ist ihr Lebensweg im Film zu wenig dramatisch geraten, etwas zu folgerichtig, mit etwas zu verständnisvollen Freunden. Dass Schwochow, der bislang zusammen mit seiner Mutter Heide die Drehbücher zu seinen Filmen verfasst hat, sich diesmal auf zwei männliche Autoren (Stefan Kolditz und Stephan Suschke) stützt, ist ihm schon angekreidet worden. Doch scheint es allen dreien wichtiger, Verständnis für Paula Modersohn-Becker zu wecken, als sie zu einer feministischen Ikone zu stilisieren. Zumal Carla Juri nach der Hauptrolle in »Feuchtgebiete« nun als Paula einen sympathisch jugendfreien Auftritt hinlegt. Zwischen Naivität und Ironie trifft sie jede Stimmung ihrer lebenslustigen Figur, die sich von niemandem bevormunden lässt. Dazu findet Schwochows Standardkameramann Frank Lamm die Bilder, die einer Künstlerbiographie angemessen sind. Und das sind sicherlich nicht die schlechtesten Argumente für diesen Film.

Claus Wecker
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PAULA
von Christian Schwochow, D 2016, 123 Min.
mit Carla Juri, Albrecht Abraham Schuch,
Roxane Duran, Joel Basman
Biopic
Start: 15.12.2016

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