Museum Wiesbaden zeigt »Jetzt! Junge Malerei in Deutschland«

Die Ausstellung trägt ihre Zeitgenossenschaft schon im Titel. »Jetzt! Junge Malerei in Deutschland« ist ein überaus ambitioniertes Projekt, das zeitgleich im Kunstmuseum Bonn, im Museum Wiesbaden und in den Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser den Versuch unternimmt, »den aktuellen Stand des Mediums zu bestimmen«. Das Junge, das Gegenwärtige wird in der Bildenden Kunst gerne gefeiert, hier ist es die erste Künstlerpflicht – die Altersgrenze beträgt 40 Jahre.
In Wiesbaden haben sich die Kuratoren ganz auf das klassische Tafelbild (meist viereckig, vielfarbig und transportabel) beschränkt – keine multimediale Installation will hier die Malerei ins Dreidimensionale überführen. Die jungen Künstler aus Deutschland arbeiten im Rahmen eines recht engen Korsetts zumeist Öl auf Leinwand.
Vivian Grevens Arbeiten gehören zu den besten in der Wiesbadener Station der Schau: feine, zarte, elegante Malereien über Eros und Liebe, sehr klassische, skulptural anmutende Figurenkompositionen in gedeckten Farben. Figurativ und doch auch abstrahierend – und von irritierender Schönheit obendrein.
Anders als bei Greven, die Werke von Simon Modersohn, ja aus der Familie Modersohn. In Fischerhude hat er gemalt, wie Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker. Doch will hier der Funke nicht recht überspringen: Modersohns düsteres Werk setzt Provinz-Tristesse vor Schönheit.
Die Arbeiten von Hannes Michanek zeigen phantastische, surreale Landschaften, die in gewisser Weise den Trend bestätigen, dass der Gegensatz zwischen abstrakt und figurativ zunehmend aufgehoben scheint. Die Geschichte der Malerei ist das Spielfeld, dabei scheint viele das spätere 20ste Jahrhundert anzutreiben, wie etwa Kristina Schuldt, Li-Wen Kuo, Henriette Grahnert, Alexander Pröpster oder Sebastian Gögel, dessen Maschinenmenschen im Bacon-Picasso-Dix-Grosz-Schlemmer-Lindner-Mix sofort Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Hervorheben möchte man auch die trüben Abstraktionen von Sabrina Fritsch und die grell-rockigen Figuren von Moritz Schleime (s. Bild), die knallig-bunte, die Ernsthaftigkeit des Mediums in Frage stellende Malerei von Cornelia Baltes und schließlich das Werk von Anna Nero, in dem Kleckse, Wülste und Stricke miteinander »flirten«, wie die Künstlerin bekennt. Auch hier wird zitiert, die Pop-Art, der Konstruktivismus etwa, doch auf individuelle Art und schönerweise mit großem Wiedererkennungswert. Aus dem Rahmen fallend in der Schau sind die altmeisterlichen Kompositionen von Mona Ardeleanu. »Körper« nennt die Künstlerin ihre mysteriösen Stillleben.
Die zeitgenössische Malerei des »Jetzt« ist pluralistisch, vielfältig, aber nicht unbedingt immer originell und bedient sich vor allem der Vergangenheit. Auch fällt auf, wie selten sie aktuelle politische oder soziale Themen aufgreift. Es überwiegt ein zweiflerischer Ton: Im Zweifel für den Zweifel, im Zweifel so wie früher – so malt man heute in Deutschland.

Marc Peschke
Bild (Ausschnitt): Schleime: Keine Pizza auf Ibiza, Foto: Stefan Fischer
Bis 19. Januar: Di., Do. 10 – 20 Uhr;
Mi., Fr. 10 – 17 Uhr; Sa., So. 10 – 18 Uhr
www.museum-wiesbaden.de

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