Museum für Angewandte Kunst: Emotion

Das MAK schreitet da gleich voran: hier hat der Belgier Anton Kusters eine Master Class geleitet. Die Teilnehmer*innen präsentieren ihre Arbeiten in einer großen Ausstellungshalle. Obwohl Fotos ja mit dem Offensichtlichen spielen, sind sie oft nicht das, als was sie erscheinen. Besonders bei Mika Frommherz ist das so: Hier ist die Anklage an den Klimawandel seinen quadratischen, schmucklos nüchternen Schwarz-Weiß-Fotos einverwoben. Auf den ersten Blick könnte man sie sogar für betont stylishe Modefotografien halten. Doch sie zeigen Menschen in Schutzkleidung, extrem stilisiert, extrem vereinzelt, abweisend, aber auch verletzlich in ihren beschichteten Hüllen. Sie schützen sich vor sich selbst, vor dem, was sie selbst getan, veranlasst haben, kommentiert der junge Fotograf. Eine starke Aussage. Persönlicher ist Maya Nikté Argueta, die sich mit Video, zwei Gedichten und einem Foto mit dem Selbstmord ihres Vaters auseinander setzt. Das Video zeigt Baumwurzeln, darüber gebreitet ein guatemaltekischer Schal, der sich in der sechsstündigen Laufzeit des Films minimal durch den Luftzug bewegt. Ein Familienporträt zeigt ihre Mutter, sie selbst und das Paket, das ihr ihr Vater kurz vor seinem Tod schickte. Ein Sinnbild für das Warten wollte sie finden, und für das Erkennen einer Nicht-Wiederkehr.
Der aus dem mexikanischen San Bartolomé de las Casas stammende Diego Moreno, der sich die Halle mit den Student*innen teilt, liefert einen brutalen, aber auch ironischen Kommentar zu seiner Stigmatisierung als Homosexueller. Er hat für »Malign Influences« Familienfotos umgearbeitet, den Gesichtern Teufelsfratzen, -klauen und Teufelsschwänze angemalt, die Augen ausgestochen, um zum Einen zu zeigen, was die extrem katholische Religion aus ihm gemacht hat, aber auch, um seine eigenen inneren Monster zu zähmen. Mit seiner Familie verstehe er sich sehr gut, erzählt er, und man mag es kaum glauben.
Und dann natürlich das Meisterwerk von Anton Kusters, das »Blue Skies Project«. Der Künstler hat sechs Jahre lang Konzentrations-und Vernichtungslager in Europa bereist, um vor Ort den Himmel zu fotografieren und jeweils in einem kleinen Sofortbild festzuhalten. Jedes der 1078 einzeln montierten und zu einem eindrücklichen Fototeppich zusammen gefassten Polaroids ist von Hand mit der Anzahl der Opfer des jeweiligen Lagers und den GPS-Koordinaten blindgeprägt. Eine Sound-Installation des niederländischen Komponisten Ruben Samama begleitet diese Inszenierung, für jedes Opfer gibt es einen Ton. Die Inspiration dazu hatte der Fotograf, als er Auschwitz besuchte und als einziges Bild das Foto eines strahlend blauen Himmels mit nach Hause brachte. Denn: wie kann man für das Unsagbare Bilder finden? Ein Stück blauen Himmels war vermutlich das Einzige, was den Inhaftierten und Todgeweihten als Hoffnungsschimmer nicht verwehrt geblieben war zu sehen.

Susanne Asal / Diego Moreno, »The Holy Family«, Aus der Serie: »Malign Influences«, 2020, © Diego Moreno
Bis 1. September: Di., Do.–So., 10–18 Uhr; Mi., 10–20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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