»Liebesfilm« von Robert Bohrer und Emma Rosa Simon

An Büchner kann man schon denken, wenn die männliche Hauptfigur Lenz heißt. Aber klassisch und womöglich verstaubt kommt dieser Lenz (Eric Klotzsch) nicht daher. Er ist ein junger Mann, der nicht erwachsen werden will, ein Romantiker also, doch seine Phantasien entzünden sich an aktuellen Ereignissen, und wie er Ira (Lana Cooper) trifft und beide einen Sommer in Berlin verbringen, das zeigt dieser »Liebesfilm« erfrischend unkonventionell.

Es gibt einige Szenen in »Liebesfilm«, die bleiben einem im Gedächtnis, so intensiv sind sie. Das Kennenlernen etwa: ein Blick, ein Gesicht verändert sich, schaut auf einmal interessiert – filmisch schlüssiger war der Moment, an dem der Funke überspringt, lange nicht mehr im Kino zu sehen. Oder Iras enttäuschtes Gesicht, als Lenz ihren Kinderwunsch von sich gewiesen hat.
Ira ist auch das lateinische Wort für Zorn, und den bekommt Lenz zu spüren. Denn seine neue Freundin ist eine selbstbewusste Frau, die sich im Nahen Osten um die Verschlüsselung der militärischen Kommunikation kümmert. Ab und zu fliegt sie samt kugelsicherer Weste nach Afghanistan, und wenn Lenz sie bei ihrer Rückkehr am Flughafen abholt, leuchtet ihr Gesicht. Und da ist es wieder, dieses Gefühl, dass ohne den anderen, ohne die andere etwas fehlt.
Wenn Ira nicht da ist, wird Lenz durch seine Phantasiefiguren auf Trab gehalten. Ein Soldat erscheint ihm, den hat er wohl Iras geheimen Missionen zu verdanken, oder der Capitano Schettino, der sein ins Mittelmeer kippendes Kreuzfahrtschiff Costa Concordia verlassen hat und der von der Liebe schwadroniert. Zudem beschäftigt die 2014 vermisste Boeing der Malaysia Airlines den dreißigjährigen Müßiggänger, der für sich einen Lebenssinn sucht.
Dass er ihn in Ira gefunden hat, will ihm nicht so schnell einleuchten. Sein WG-Genosse Kenn (Gerdy Zinnt) ahnt es früher und hat bereits sein Zimmer weitervermietet. Der Vater (Hartmut Becker) drängt Lenz, endlich eine Frau zu finden. Er ist noch verschrobener als sein Sohn, und als Ira Lenz überredet, ihn zu besuchen, kommt es zu einer merkwürdig distanzierten Szene (die grandios inszeniert ist).
Weil die knapp vierzigjährige Ira die biologische Uhr ticken hört, setzt sie all ihren Charme ein und blüht geradezu auf. Lana Cooper spielt sie großartig, so realistisch, als würden wir sie in ihrem eigenen Alltag beobachten. Sie war bisher in TV-Filmen und -Serien zu sehen. Man kann nur hoffen, dass »Liebesfilm« ihr Durchbruch auf der Leinwand ist. Der bisweilen ziemlich talentfreie deutsche Film könnte sie sehr gut gebrauchen.
Auch ihr Partner Eric Klotsch ist eine Entdeckung. Auch er weiß die Rolle des unschuldigen Narren, der seine Unschuld verlieren wird, mit Leben zu füllen. Die Dialoge zwischen beiden sind klug und dabei so natürlich, als würden sie ihnen gerade einfallen. Das ist auch das Verdienst von Robert Bohrer und Emma Rosa Simon, die nur ganz wenig haben improvisieren lassen. Getreu dem Satz, dass gerade gut geschriebene Dialoge spontan klingen, wenn sie entsprechend vorgetragen werden.
Simon und Bohrer haben sich sowohl die Arbeit am Drehbuch als auch die Regie geteilt. »Liebesfilm« ist sie der erste Spielfilm, bei dem Simon zudem die Kamera führte.
Dass dem Werk die in deutschen Filmen übliche Betulichkeit fehlt, könnte an Simons einjährigem Filmstudium in San Francisco liegen. Sie besitzen eigene Erfahrungen, denn bei der Berliner Premiere haben sie die Geburt ihrer gemeinsamen Tochter bekannt gegeben. Ihr »Liebesfilm« ist eine romantische Komödie, ganz nah am Leben. Sie macht Lust auf mehr von dem Filmemacherpaar.

Claus Wecker (Foto: © Marie und Zahir)
LIEBESFILM
von Robert Bohrer u. Emma Rosa Simon, D 2018, 82 Min.
mit Eric Klotzsch, Lana Cooper, Sabine Vitua, Gerdy Zint, Hartmut Becker, Roger Bonjour
Romantische Komödie
Start: 02.05.2019

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert