»I Am Mother« von Grant Sputore

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie aktuelle Themen die Phantasie der Drehbuchautoren beflügeln und so ihren Weg in die Kinos finden. Der Australier Grant Sputore, ein Filmemacher, der schon bei den wichtigsten Preisverleihungen für Werbefilme aufgefallen ist, hat sich von der Diskussion um künstliche Intelligenz (KI) inspirieren lassen.

»I Am Mother« ist seine erste Spielfilminszenierung, für die er auch mit dem in Los Angeles lebenden Michael Lloyd Green per Skype das Drehbuch entwickelt hat. Der Science-Fiction-Film bombardiert das Publikum nicht mit Action-Szenen, sondern erzählt eine spannende Geschichte, in der die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens und dem Dilemma gestellt wird, ob man ein Leben opfern darf, um mehrere Leben zu retten.
Handlungsort ist ein weiträumiger, hermetisch von der unbewohnbaren Erde abgeschlossener Bunker, in dem Tausende von Embryonen nach einem Krieg auf einen Neuanfang der Menschheitsgeschichte warten.
Ein Roboter ist darauf programmiert, das System zu überwachen und langsam das neue menschliche Leben in Gang zu setzen. Mit der maschinellen Ausbrütung eines Embryos geht es los, der Roboter übernimmt die Rolle der »Mutter«.
Jahre vergehen, und eine junge Frau (Clara Rugaard) wächst heran. Sie kennt nur ihre metallene Mutter, die sie mit warmer Stimme (im Original von Rose Byrne, die uns aus »Juliet, Naked« in bester Erinnerung ist) umsorgt.
Das Erziehungsprogramm ist bestens ausgearbeitet, ethisch Fragen, wie die eingangs erwähnte, werden erörtert – der gute Immanuel Kant darf nicht fehlen – doch alles bleibt graue Theorie, die Schleuse darf nicht geöffnet werden, weil die Welt draußen angeblich kontaminiert und tödlich ist.
Doch eines Tages taucht vor der Schleuse eine Fremde auf (eine Paraderolle für die auch hier recht herb wirkende Hillary Swank), deren Verletzung dringend versorgt werden muss.
Einerseits darf das Experiment nicht gefährdet und die Fremde nicht hereingelassen werden, andererseits gibt es die Pflicht zu helfen. Die Tochter hilft zunächst hinter Mutters Rücken (wobei man sich wundert, dass in der Anlage nicht viele Überwachungskameras installiert sind). Später wird auch Mutter mit dem Dilemma, unter Risiko helfen oder Kontrolle über das Projekt behalten, konfrontiert und reagiert menschlicher als HAL, Stanley Kubricks KI, die sich in »2001« gegen den Menschen entscheidet.
Natürlich gerät das Unternehmen mit dem Auftauchen der Fremden, die es nach Mutters Erzählungen gar nicht geben dürfte, in Gefahr und der Film somit in beschleunigte Fahrt. War bis dahin die Beziehung zwischen Mensch und dessen maschinellem Imitat die Hauptattraktion, so geht es jetzt ums reine Überleben und unter welchen Umständen dies möglich ist.
Denn einerseits ist das Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Tochter gestört, und andererseits bringt die angeschlagene Fremde eben auch Unberechenbarkeit, Misstrauen gegenüber der Maschine und eine Menge Aggressionen mit ins klinisch präparierte Heim. Ist das Projekt des Neuanfangs noch realistisch, oder geht die Geschichte der Menschheit so ambivalent wie immer weiter und dann doch zuende?
Das Ende dieses ebenso sorgfältig wie aufwendig produzierten Science-Fiction-Films wird hier nicht verraten. Die moralischen Fragen bleiben jedenfalls offen, aber von einem Spielfilm war es auch nicht anders zu erwarten. Dafür gibt es neben der spannenden Story viel Stoff zum Nachdenken. Und das ist wiederum mehr, als man von vielen Kinowerken sagen kann.

Claus Wecker (Foto: Concorde Filmverleih)
I AM MOTHER
von Grant Sputore, AUS 2019, 113 Min.
mit Clara Rugaard, Hilary Swank, Luke Hawker, Rose Byrne, Tahlia Sturzaker
Science-Fiction-Thriller
Start: 22.08.2019

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