Genug gesagt (Start: 19.12.2013)

Genug gesagt (Start: 19.12.2013)Auf den zweiten Blick

»Genug gesagt« von Nicole Holofcener

Sich mit Mitte Ende vierzig nach einer vor langen Jahren geschiedenen Ehe auf eine neue Beziehung einzulassen ist ein kompliziertes Unterfangen. Denn in jedem ersehnten Neuanfang werden die Möglichkeit des Scheiterns und partnerschaftliche Abnutzungserscheinungen gleich mitgedacht.

In ihrer romantischen Komödie »Genug gesagt« geht Nicole Holofcener (»Please Give«, »Walking and Talking«) den widerstrebenden Gefühlen auf den Grund, die mit dem Beginn einer Liebe zweier einschlägig erfahrener Menschen einhergehen. Nach der Scheidung hat sich Eva (Julia Louis-Dreyfus) als alleinerziehende Mutter und therapeutische Masseurin tapfer durchs Leben geschlagen. Als sie Albert (James Gandolfini) auf einer Party kennenlernt, ist das nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick, aber schon bald findet sie Gefallen an dem korpulenten, etwas schlampigen Kerl, der ihr mit Witz und Aufrichtigkeit begegnet.

Genau wie Eva hat auch Albert eine Tochter, die das Nest bald verlassen und weit weg aufs College gehen wird – ein Einschnitt, der gerade alleinstehende Elternteile besonders hart trifft. Die herannahende Einsamkeit macht das Bedürfnis nach einem neunen Lebenspartner umso dringlicher, schaltet aber nicht die Sicherheitsmechanismen aus, mit denen Eva ihren potentiellen Mann für die zweite Lebenshälfte einer Tauglichkeitsprüfung unterzieht.

Auf der Party hat Eva nicht nur Albert kennengelernt, sondern auch Marianne (Catherine Keener), die mit ihr Massagetermine ausmacht und ihr schon bald die Freundschaft anbietet. Marianne ist Poetin, telefoniert regelmäßig mit Joni Mitchell und hat ein Eigenheim von einschüchternder Schönheit. Außerdem ist sie, wie sich bald herausstellt, Alberts Exfrau, und das, was sie über ihren früheren Lebensgefährten auf der Massageliege berichtet, ist alles andere als schmeichelhaft. Eva lässt es geschehen, nutzt die intimen Auskünfte der Freundin als Informationsquelle, auf deren Basis sie die langfristige Beziehungskompatibilität mit ihrem neuen Geliebten abzuschätzen versucht – und vergiftet damit das Verhältnis zu Albert.

Von alledem erzählt Holofcener im Gewand einer klassischen Screwball Comedy, die, was Schnelligkeit, Eloquenz und Witz der Dialoge angeht, den Vergleich mit den historischen Vorbildern nicht scheuen muss. Innerhalb kürzester Zeit gelingt es Holofcener, eine ungeheure Vertrautheit zur weiblichen Hauptfigur herzustellen, indem sie mit liebevoller Genauigkeit den Charme und die menschlichen Schwächen ihrer Alltagsheldin aufzeigt.

Umso wirkungsvoller entfalten sich dadurch die Vertrauenskrisen, die sich zwischen Albert und Eva nach einer viel versprechenden, romantischen Aufwärmphase entwickeln. Aus zahllosen, genau beobachteten Details speist sich der eigensinnige, humorvolle und bittersüße Erzählton dieser romantischen Komödie für Erwachsene, der nichts mit dem tragikomischen Waagschalen-Verfahren zu tun hat, mit dem das Genre üblicherweise arbeitet. »Ich habe genug davon, lustig zu sein«, sagt Eva zu Albert, als sie zum ersten Mal zusammen im Bett sind, und lässt sich in seinen Arm sinken – und für einen kurzen, schönen Moment kann man einer klugen Komödie beim Atemholen zuschauen.

Martin Schwickert
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GENUG GESAGT (Enough Said)
von Nicole Holofcener, USA 2013, 93 Min.
mit Julia Louis-Dreyfus, James Gandolfini, Catherine Keener, Toni Collette
Komödie
Start: 19.12.2013

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