Fotografie Forum Frankfurt: Die Sammlung Donata Pizzi zeigt Bilder von Widerstand und Empfindsamkeit

Stefania, Barbara und Antonella heißen die drei etwa vier bis sieben Jahre alten Mädchen in der Spielzimmer-Mütterpose. Ganz nach der Art der Mama anno 1977 sind sie in Pullis oder Bluse und in knielange Röcke gepackt, die Arme in die Hüften gestemmt, verantwortungsvoll der Blick. Um sie herum: Wiegen mit Himmelszelt, Tragekörbchen, Babystuhl, Puppen und ein Laufstall. 32 Jahre später, 2009, ist aus dem Lieblingsspiel Realität geworden. Wieder nehmen Stefania, Barbara und Antonella Aufstellung, die Arme diesmal lässig angelegt. Zu ihren Füßen aber posieren nun ihre Töchter Elisa, Clara und Cassandra. Die Fotografin Liliana Barchiesi setzt sich auch in vielen anderen ihrer Arbeiten mit Rollenzuschreibungen auseinander und zeichnet, wenn sie etwa in ihrer 1974 in Mailand entstandene Serie stolze junge Ehefrauen mit ihren Staubsaugern in fein hergerichteten Wohn- und Kinderzimmern posieren lässt, das Italien der Siebziger nach – darunter auch eine Kommunardin des besetzten Hauses in der Via Luminale 140.
In der Ausstellung »Resistance & Sensibility« im Fotografie Forum Frankfurt zählen die Aufnahmen von Barchiesi zu den ruhigeren und weniger spektakulären Exponaten. Rund 150 Fotografien von 64 Künstlerinnen aus mehr als 55 Jahren präsentiert die erst vor fünf Jahren ins Leben gerufene Collezione Donata Pizzi aus Mailand.
Die Fotografien dokumentieren Zeitgeschichte, nicht nur italienische, porträtieren Menschen und gesellschaftlichen Wandel immer aus der Perspektive der Frau und beziehen auch feministische Positionen. Gleich zum kämpferischen Auftakt sehen wir die Demonstrantin im offenen Hemd mit gereckter Faust vor einer Werbeikone: »Frauen werden nicht geboren, sondern gemacht«, nennt Agnese De Donato dieses Bild nach einem Zitat von Simone de Beauvoir. Aber es wird nicht nur gekämpft, es gibt ganz sensible, auch ironische Betrachtungen und Selbstreflexionen mit weiblichem Blick. Einige der Exponate und deren Urheberinnen haben es zu Bekanntheit gebracht. Letizia Battaglia etwa durch ihre unerschrockenen Aufnahmen von Mafia-Morden und Mafia-Mördern Ende der Siebziger, die sie für die kommunistische Zeitung »L‘Ora« dokumentierte, beeindruckend ihr Schwarzweiß »La bambina e il buio« (Das Mädchen und die Finsternis, siehe Foto). Gewalt, die keine Geschichte ist: Raffaela Mariniello hält für die Stadt Neapel Zerstörungen der Camorra nach dem Brandanschlag auf ein geplantes Wissenschaftsmuseum aus dem Jahr 2014 fest. Internationales Renommee hat auch die bereits 97 Jahre alte Lisetta Carmi errungen, die ihre Karriere als Konzertpianistin aufgab, um Fotografin zu werden und mit den später vielfach preisgekrönten Porträts »I Travestiti« in den Sechzigern zum Skandalon wurde.
Die meisten Namen aber dürften auch Fachleute zum ersten Mal hören, viele davon wird man sich nun gewiss merken wollen. Eine starke und vor allem überraschende Ausstellung, die ganz wunderbar, weil ungeplant, die fantastischen Schirn-Frauen komplementiert.

Lorenz Gatt (Letizia Battaglia:
La bambina e il buio (1980)
© Letizia Battaglia)
Bis 28. April 20: Di., Do.–So., 11–18 Uhr; Mi., 11–20 Uhr. www.fffrankfurt.org

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