European Angst (107)

Angst geht um in Europa – und Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Besonders dann, wenn es um die Lösung von Problemen geht, die heutzutage, was an sich schon zum Kotzen ist, Herausforderungen genannt werden müssen.
Da hat sich Einer die Mitgliedschaft in einem Club erschlichen, dann die Clubregeln jahrzehntelang miss-achtet, um sich zu bereichern, und dadurch den anderen Clubmitgliedern (und letzten Endes sich selbst)  einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Was die Clubleitung dummerweise zugelassen hat.
Leider hat der Club bei seiner Gründung versäumt, zu regeln, wie ein solches Mitglied ausgeschlossen werden kann.
Weil nach aller Lebenserfahrung das betreffende Clubmitglied nicht das einzige sein wird, das sich so verhält,  müßte der Club nun unverzüglich in seine Statuten eine Ausschlußklausel einfügen – und am vorliegenden Fall diskutieren, welche Folgen es hätte, das betreffende Mitglied NICHT rauszuwerfen. Hier dürfte gelten: auch ein kleiner fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb.
Den Ausschluß gibt es aber auch nicht umsonst. Zum einen wäre das veruntreute Clubgeld weg, und die Familie des Schädigers würde in Mitleidenschaft gezogen. Zum anderen könnte der Club insgesamt schwächer werden und sogar implodieren. Explosion oder Implosion wären demnach die Alternativen. Wirklich?
Zunächst müßte geklärt werden, ob die Chance besteht, dass erstens Rettung möglich ist und zweitens das betreffende Clubmitglied sein Verhalten ändert. Es gibt aber keine Hinweise, die zu diesen Annahmen berechtigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit weiteren Hilfen der Schaden vergrößert wird, ist also sehr hoch. Zumal der Delinquent unter Aufsicht gestellt und in seine Wirtschaftsführung eingegriffen wird (werden muß?!), was regelmäßig Haß auf den/die »Retter=Unterdrücker« und die »Geretteten=Gauner« erzeugt.
In angstfreier Abwägung gibt es demnach nur eine vernünftige Entscheidung: Ausschluss.
Was verhindert diese Entscheidung? Die Angst vor dem Ungewissen, die jeder Entscheidung innewohnt? Die Angst vor den Bildern von Armut, dem weinenden Rentner vor dem leeren Geldautomaten, vor dem Umschlagen der öffentlichen Meinung, die alleweil David den Vorzug vor Goliath gibt? Oder die Angst, zugeben zu müssen, man habe bereits mit der Gründung des Clubs einen katastrophalen Fehler gemacht? Wie es scheint, haben sogar dessen Mitglieder mittlerweile starke Zweifel an den Grundfesten ihres Vereins.
Es gibt natürlich noch den allseits beliebten 3. Weg: sich drücken und versuchen, die Gegenwart zum St. Nimmerleinstag zu verlängern – mit der Hoffnung, es werde irgendwie nicht schlimmer werden.
Worauf wollen wir wetten?

Kurt Otterbacher

Ein Kommentar zu “European Angst (107)”

  1. Lieber Herr Otterbacher,

    wie wohltuend!

    Das bezieht sich nicht nur auf Ihren letzter Kommentar, sondern allgemein auf die Kommentierung der „gesellschaftlichen Ereignisse“ und „Herausforderungen“ (challenges), denen Sie sich über die Jahre angenommen haben.

    Das klingt jetzt banal und trivial, aber ich wollte einfach ‚mal eine Rückmeldung geben, dass ich Ihre Kolumnen, die abweichend von der angesagten Forderung nach“political correctness“ die Tatsachen konkret benennen, sehr erfrischend finde.

    In meiner schwäbischen Heimat sagt man: „Herr (wer immer das auch sei), schmeiß‘ Hirn vom Himmel!“ Aber anscheinend wird dieses Flehen nicht erhört. Leider wird das vermutlich so bleiben. Bleiben Sie dran!

    Viele Grüße
    Rolf Seifried

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