English Theatre zeigt Lucy Kirkwoods Ökothriller »The Children«

Was will Rose hier? Das ist die Frage, die wir uns schon bald stellen in Lucy Kirkwoods Ökothriller »The Children«, der bis zum Saisonende im English Theater spielt. Rose (Alwyne Taylor) kommt aus den USA und hat sich, noch bevor der Vorhang gelüftet wird, eine blutige Nase geholt, weil Hazel (Annie Wensak) die vor 30 Jahren ausgewanderte Arbeitskollegin nicht wiedererkannt hat und auf Rose losging, als diese plötzlich in ihrer Küche stand. Die riesige Küche ist denn auch das erste, was wir zum aufbrausenden Wellenschlag sehen. Bühnenbildner Simon Kelly legt den Raum mit Hausgiebel im Frontblick frei, inklusive eines spiegelglatten Wasserbeckens davor. Seltsam leer sind die Regale, ab und an flackert das Licht, später hören wir, dass auch die Toiletten nicht intakt sind. Irgend etwas stimmt hier nicht.
Bald aber wissen wir: Es kommt nicht oft vor, dass jemand vorbeikommt im Haus von Hazel und ihrem Mann Robin (Philip Rham), das einsam an der Ostküste Englands liegt – am Rande der kontaminierten Sperrzone eines havarierten Atomkraftwerks, dem einstigen Arbeitsplatz der drei verrenteten Nuklearwissenschaftler.
Die britische Autorin hat dieses Stück nach der Katastrophe von Fukushima geschrieben und mit ihm die Frage nach unserer Verantwortung für die Zukunft gestellt, wobei der Ttitel »The Children« alleine als Metapher fungiert. Seine Protagonisten sind drei Menschen auf dem Sprung in das sogenannte dritte Lebensalter, deren Wiedersehen nicht nur die Vergangenheit wachruft, sondern auch die Lebenslügen ihrer Gegenwart entblößt. Hazel und Robin machen nicht nur Rose, sondern auch sich selbst und gegenseitig ziemlich viel vor, bis der aus Amerika angereiste Gast seinen unmöglichen Vorschlag macht. Mehr sei hier nicht verraten.
Regisseurin Psyche Stott baut dieses Drama, das sich wie das Schicksal von Ödipus nach und nach enthüllt, sehr einfühlsam auf und mit viel Gespür für nuancierte gedankliche Seitenwege, auf die sie uns immer wieder lockt. Eine alte Liebesgeschichte, die ins Herz nicht der Beteiligten, sondern der Story führt. Eine kleine Herde von Kühen, von denen eine Heisenberg genannt wird.
Dabei geht es weniger um eine Kritik der Wissenschaft als um die Frage der Verantwortung einer Generation für die nächste. Mit einer so irrwitzigen und zugleich zwingenden Pointe. In pausenlosen anderthalb Stunden kann man sich mit passablem Englisch auch am subtilen Humor dieser very britischen Konversation erfreuen, ohne verzweifeln zu müssen, wenn man nicht ganz so fit ist. Da schützt nicht nur der vielschichtige Suspense der Autorin vor, sondern auch das glänzend und auf Augenhöhe spielende Darstellertrio, mit dem das English Theatre einmal mehr die hohe Qualität des britischen Autorentheaters unterstreicht.

gt (Foto: © Martin Kaufhold)
Bis 28. Juni: Di.–Sa. 19.30 Uhr, So. 18 Uhr
www.english-theatre.de

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