English Theatre: Das Musical »Jekyll & Hyde« wird ein Gothic-Thriller

Halloween ohne Ende

Das Böse wütet weiter am English Theatre, das seine Spielzeit »The Monster Within Us« gewidmet hat. Nimmt man’s genauer, dann fängt der Grusel eigentlich jetzt erst an. Nach dem recht soften satirischen Einstieg mit dem empathiegestörten Sprachdresseur Henry Higgins in Bernard Shaws »Pygmalion«, geht es im schaurigen Musical »Jekyll & Hyde« knallhart zur Sache. Die Vorlage gehört zur Weltliteratur: Robert Louis Stevensons 1886 veröffentlichter Roman »The Strange Case of Dr. Jekyll´& Mr. Hyde« handelt von der Doppelnatur des Menschen und rollt kriminalistisch den Fall eines besessenen Wissenschaftlers auf, der im Selbstversuch zur Inkarnation seiner eigenen dunklen Triebe wird. Durch die Einnahme einer selbstgemachten Droge mutiert der honorable Doktor Jekyll zum impulsgetriebenen Verbrecher Mister Hyde in der Londoner Unterwelt von Soho.
Der von seinem Erscheinen an erfolgreiche und schon dutzendfach verfilmte Horrortrip einer Persönlichkeitsspaltung ging 1990 erstmals auch als Musical (Musik: Frank Wildhorn, Text: Lesley Brucisse) über die Bühne und vom Broadway aus in die Welt. Abweichend von der klassischen Vorlage, die das Mysterium schrittweise enthüllt, steht im Musiktheater das Motiv von vornherein und broadway-kompatibel fest: Der gute Doc will seinen psychisch erkrankten Daddy heilen und erprobt das dafür entwickelte Serum, weil ihm die Gesellschaft engstirnig jede Unterstützung versagt, folgenreich an sich selbst. Während Stevenson es der Phantasie des Lesers überlässt, sich die Untaten des schrecklichen Edward Hydes auszumalen, geizt das Musical nicht, diese zu zeigen. Selbstverständlich ist nun auch für Herz und Schmerz, für Romantik und bewegende Duette gesorgt. Henry begehrt die schöne Lisa und Edward auf seine Weise die Prostituierte Lucy bis zum bitteren thrilligen Ende.
Der Saisonhöhepunkt des English Theatre wird von Tom Littler inszeniert, der sein feines Händchen mit psychologischen Stoffen hier schon mit Stücken wie »Die Glasmenagerie« (Tennesee William), »Dorian Gray« (Oscar Wilde) und »Strangers on a Train« (Highsmith / Hitchcock) eindrucksvoll bewiesen hat. Wer einen Eindruck davon haben will, wie es nicht sein wird, findet auf You-Tube eine Broadway-Fassung mit David Hasselhoff. Frankfurt wird sich, ohne die Schöpfer zu verraten, vor allem musikalisch deutlich – und for hell’s sake! – davon unterscheiden. Die durch die »Actor-Musicians« verstärkte Live-Band geht unter Leitung von Tom Attwood und mit dem Plazet des Verlags weitaus rockiger als das Original zu Werk und tendiert, wenn Mister Hyde sein Unwesen treibt, deutlich zum bass-groundigen Gothic-Sound: dirty, dämonisch, satt und Halloween ohne Ende.
Anders als die Musik, bleiben die Kostüme der Zeit verpflichtet, die Handlung spielt ganz nach dem Muster von Anatomielehrsälen in der Bühnenmitte. Ein kleines Wiedersehen gibt es mit dem Hauptdarsteller: John Addisson hat auf dieser Bühne als Sam Wheat »Ghost« ganze FußballerInnenmannschaften von Fans verzückt. Drehbuchgemäß wird der Brite nun janusköpfig zu sehen sein: als guter Mensch Jekyll und als Monster Hyde. Wer sich von beiden durchsetzt, wird hier nicht verraten.

gt (Probenbild, © English Theatre)
Ab 11. November: Di.–Sa. 19.30 Uhr, So. 18 Uhr
www.english-theatre.de

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