»Die Welt wird eine andere sein« von Anne Zohra Berrached

Es ist Sympathie auf den ersten Blick, als sich die deutsch-türkische Medizinstudentin Asli (Canan Kir) und der Libanese Saeed (Roger Azar) auf einem Jahrmarkt in Deutschland begegnen. Aus Sympathie wird Liebe – hinter dem Rücken von Aslis Mutter (Özay Fecht), die Libanesen ablehnt und für die somit einer von ihnen als potentieller Schwiegersohn unzumutbar wäre.

Asli ist unsicher, sie wagt es nicht, Saeed zu Hause vorzustellen. Schließlich hat sie sich mit ihrem Studium ohnehin schon weit vom traditionellen Rollenbild einer türkischen Frau entfernt. Der selbstbewusste Saeed ist hingegen von seiner wohlhabenden Familie zum Studium nach Deutschland geschickt worden. Auch er verbirgt vor seiner Familie etwas: den Wunsch, Pilot zu werden.
So haben sich beide aus der engen Familienbindung gelöst und wollen in eigener Regie über ihr Leben bestimmen. Man könnte also sagen, dass sie in Deutschland angekommen sind. Doch der Film wird zeigen, dass die Entfernung von der Familie auch Gefahren in sich bergen kann.
Saeed drängt aufs Heiraten, stellt sich Aslis entsetzter Mutter auf offener Straße als Freund ihrer Tochter vor und löscht damit den letzten Hoffnungsfunken auf eine einvernehmliche Hochzeit. Schließlich wird in einer Hamburger Moschee geheiratet, im engsten Freundeskreis. Der Imam scheint nichts über die Situation des Paares zu wissen. Er schärft Asli ein, sie müsse alle Geheimnisse ihres Ehemannes bewahren.
Auch das wird sich als höchst problematisch erweisen. Denn Asli sieht zwar, dass ihr Mann zunehmend radikales islamistisches Gedankengut vertritt. Er verteufelt die westliche Wirtschaftsordnung, sieht Schulden und Zinsen als Mittel an, die Menschen ihrer Freiheit zu berauben, und natürlich eine jüdische Verschwörung dahinter.
Als Saeed schließlich nach Jemen verschwindet und nicht nach Beirut zu seiner Familie kommt, zu der er Asli hat fliegen lassen, ist bei den bürgerkriegserfahrenen Libanesen Alarmstufe rot angesagt. Asli fühlt sich noch immer zum Schweigen verpflichtet und gibt erst nach eingehendem Familienverhör den unbestimmten Aufenthaltsort ihres Mannes preis.
Zurück in Hamburg sucht sie vergeblich nach Hinweisen bei Freunden und dem Imam, der sich mehr um die Zubereitung seines Essens als um das Schicksal der von ihm Vermählten kümmert.
Als Saeed nach Hamburg zurückkehrt, will er über seine Reise nicht reden. Er habe einen Fehler gemacht, beschwichtigt er seine erboste Frau. Sie will ihn vor die Tür setzen, gibt aber dann doch nach.
Aber die Sache mit dem Pilotenschein, den er schon immer machen wollte, will er jetzt verfolgen. Eine kleine Flugschule in den USA hat ihm eine Ausbildung angeboten. Asli besucht ihn und darf bei einem Rundflug seine Kopilotin sein. Wird nun alles gut, oder hat da ein gefährlicher Islamist den Pilotenschein gemacht?
Die gebürtige Erfurterin Anne Zohra Berrached erzählt konsequent aus der Sicht ihrer Protagonistin, einer liebenden Frau, die ihrem Mann ausgeliefert ist. Liebe macht blind, heißt es. Und es ist fraglich, ob eine verständnisvolle Mutter der verliebten Asli korrigierend geholfen hätte. Für solche Fälle gibt es mehr negative als positive Beispiele.
Wie in ihrem früheren Film »24 Wochen« versteht es die Regisseurin, die auch am Drehbuch mitarbeitete, eine Frau im Konfliktfeld von Loyalität, Gewissen und dem eigenen Willen einfühlsam darzustellen. Da Filme keine Lebensweisheiten verbreiten müssen, auch nicht, wenn sie wie hier eine wahre Begebenheit nacherzählen, zeigt sie keinen Lösungsweg. Gerade deshalb hinterlässt »Die Welt wird eine andere sein« einen tiefen Eindruck.

Claus Wecker (Foto: © Neue Visionen)
DIE WELT WIRD EINE ANDERE SEIN
von Anne Zohra Berrached, D/F 2021, 119 Min.
mit Canan Kir, Roger Azar, Jana Julia Roth, Nicolas Chaoui, Ceci Chuh, Özay Fecht
Drama
Start: 12.08.2021

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