Die Docma-Awards 2015 im MfK: »Im Blitzlicht – Wenn Privates öffentlich wird«

Foto: © Kimberley Pottkämper

Kanalarbeiter- und Gynäkologenblicke

Schon mal versucht, im Brentano-Bad am Beckenrand die Fotokamera zu zücken? Oder im Günthersburgpark an den Wasserspielen? Lange gut ginge das wohl weder hier noch da. Dass sich über das gespannte Verhältnis zwischen Privatsphäre und Fototechnik nicht nur streiten, sondern auch prächtig Bilder machen lässt, darüber kann man sich bis zum Ende des Monats im Museum für Kommunikation seine eigenes machen.  
Hier stellt die Berliner Fachzeitschrift für digitale Bildbearbeitung, Docma, die Siegerwerke ihres seit 2003 veranstalteten Wettbewerbs aus, der unter dem Motto »Privatsphäre kaputt! Das Leben vor der Kamera« stand. Die etwa 50 ausgesuchten und meist in Fotostudios entstandenen Arbeiten sind in die frei wählbaren Kategorien Meister, Gesellen und Lehrlinge unterteilt. Ganz nach persönlicher Einschätzung. Kaum eine Arbeit darunter, die nicht auf dem Triangel Selfies, Überwachung und Paparazzi spielt.
Dass die Teilnehmer dabei auch auf weibliche Reize im männlichen Fokus setzen, hat bei den Juroren zumindest im Lehrlingsbereich durchschlagenden Erfolg. Den 1. Preis hat hier der dreißigjährige Nürnberger Martin Renz für die Aufnahme mit einer dunkelhaarigen Schönheit in sexy Hotpants erhalten, die man für Uschi Obermaier in aktiven Zeiten halten könnte. Auf einer Leiter stehend, entblößt sie ihre Brüste vor der Überwachungskamera an der Decke eines Fabrikgeländes. »Do what you want and whenever you want it« hat der Autor sein im brachen ehemaligen Quelle-Komplex inszeniertes Bild genannt, für das er eine Polaroid-Kamera benutzte. Gab da der Retro-Effekt den Ausschlag? Oder der Trash-Touch auf den Spuren von Jürgen Teller? Den zweiten Platz in dieser Hobby- oder Anfänger-Liga errang für eine nicht minder provokante Idee mit dem Titel »Geheimes Verlangen« die Kimberley Pottkämper, die tatsächlich noch Lehrling in einem Kölner Fotostudio ist. Für ihr ästhetisch anspruchsvolles Schwarzweiß-Bild hat sie eine Paparazzi-Perspektive gewählt, die man eher Kanalarbeitern oder Gynäkologen zubilligen würde. Von der Unterseite eines Bodenrosts linst die Kamera einer jungen Frau tief unter ihr Kleid in den Schritt.
Der Sieger der Meisterkategorie, Geza Kercho, lässt aus dem Dunkel zwei tierisch wirkende Augenpaare aus einem Fernglasgestell wie auf Beutejagd äugen, ein durch seine Reduktion bestechendes metallisch-kaltes technisch perfektes Bild. Das Siegerbild der Gesellen von Nicole Preite, »Fangschuss«, ist bei weitem nicht das einzige, über dessen Prämierung man sich wundert. Eine in einem roten Kleid bei geöffneter Tür auf der Toilette sitzende Frau, die einen vom Pfeil durchbohrten Kuhkopf trägt und Polaroid-Selfies schießt, die sich zu ihren Füßen verstreuen. Häh?

Lorenz Gatt
Bis 25. Oktober: Di.–Fr. 9 – 18 Uhr, Sa., So. 11 – 19 Uhr
www.mfk-frankfurt.de            
 

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