»Die brillante Mademoiselle Neïla« von Yvan Attal

Immer das richtige Argument zur Hand

Der Jura-Professor Pierre Mazard ist zweifellos ein gebildeter Mann. Doch ihm fehlt, was man romantisch Herzensbildung oder etwas einfacher Mitgefühl nennt. Weil er zusätzlich noch zu sehr von sich überzeugt ist, unterbricht er seine Vorlesung und redet sich in Rage, als eine Erstsemester-Studentin zu spät kommt. Das wird von Kommilitonen auf dem Handy festgehalten und ins Netz gestellt.

Wie er die in Sportklamotten auftauchende, noch dazu durch den halben Hörsaal wandernde und einen passenden Sitzplatz suchende Neïla herunterputzt, geht über eine professorale Ermahnung weit hinaus. Der Hochschullehrer überschreitet die Anstandsgrenze und gibt sich als ein Franzose zu erkennen, der mit Einwanderern und ihren Kindern seine Probleme hat, das aber eloquent bestreitet.
Der Rassist muss also auf den Pfad der Menschenfreunde gebracht werden. Doch würde dieser in reinstem Weiß erstrahlen und wäre um ihn herum alles tiefdunkel, müsste man über den Film »Die brillante Mademoiselle Neïla«, um den es hier geht, kein weiteres Wort verlieren. Politisch-korrekte Klischees sind aber nicht die Sache von Regisseur und Autor Yvan Attal, der selbst in der Banlieue von Paris aufgewachsen ist. Er hat das Komödien-Drehbuch von Yaël Langman und Victor Sain-Macary mit ungeschöntem Blick auf soziale Gegensätze überarbeitet.
Denn einerseits verdient es die junge Studentin Neïla Salah, die an der renommierten Pariser Assas Law School aufgenommen worden ist, für die bis dahin erbrachte Leistung akzeptiert zu werden. Andererseits liegen zwischen dieser Vorstadtpflanze mit algerischen Wurzeln und dem etablierten Snob Mazard kulturelle Welten. Dies spürt vor allem Neïla, die sich nicht von Freunden und Familie abwendet, auch wenn sie als Aufsteigerin daheim einen schweren Stand hat.
Um dem arroganten, schon mehrfach negativ aufgefallenen Mazard bei dem anstehenden Disziplinarverfahren eine Chance zu geben, verdonnert ihn der verständnisvolle Uni-Präsident dazu, Neïla auf die Teilnahme an einem Rhetorikwettbewerb vorzubereiten.
Den wahren Grund für sein Engagement verschweigt Mazard allerdings. Nicht dass er vor dem Disziplinarausschuss eine gute Figur machen will, sagt er Neïla, sondern dass er vielleicht etwas Besonderes in ihr sehe.
Aus der Heuchelei wird natürlich im weiteren Verlauf ein Körnchen Wahrheit, denn es prallen zwei starke Charaktere aufeinander, die kongenial von dem erfahrenen Daniel Auteuil und der jungen, mit dem César belohnten Camélia Jordana verkörpert werden. Aus ihrem Zweikampf schlägt die Komödie Funken und die Figuren empfinden auch Sympathie füreinander, bis Neïla die wahren Motive ihres Lehrers entdeckt.
Sogar dieser dramaturgische Knoten wird elegant gelöst. »Die brillante Mademoiselle Neïla« ist nämlich nicht nur das Porträt eines zynischen Lehrers und seiner widerspenstigen Studentin, sondern auch ein faszinierender Streifzug durch die abendländische, vor allem französische Philosophie und ein unterhaltsamer Unterricht in der Kunst der Rhetorik, die für alles das richtige Argument bereithält.

Claus Wecker (Foto: © SquareOne/Universum)
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DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEILA (Le Brio)
von Yvan Attal, F/B 2017, 95 Min.
mit Daniel Auteuil, Camélia Jordana, Yasin Houicha, Nozha Khouadra, Nicolas Vaude, Jean-Baptiste Lafarge
Komödie
Start: 14.06.2018

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