Deutsches Filmmuseum: Vertikale

Sechs im Schacht

Als das Filmmuseum vor gut anderthalb Jahren eröffnet wurde, konnte man gleich rechts hinter dem Eingang in dem sich vom Foyer bis hinauf zum dritten Stock streckenden hellen 14 Meter hohen Luftschacht einen mit Armen und Beinen rudernden Mann bestaunen. Mal groß, mal klein, mal herabstürzend, mal abhebend: Mit fünf Projektoren setzte der Frankfurter Künstler Thomas Lüer mit dem Videoprojekt »Shift« den schwebenden Überflieger in Szene – eine filmische Grußadresse an den Stunt.
Vor ein paar Monaten war Schicht im Schacht für »Shift«. Inzwischen aber hat Lüer für »seinen« Raum die Nachfolge bestellt und kuratiert. »Vertikale« titelt die seit November von sechs verschiedenen Medienkünstlern getragene Schau. Deren jeweils zwischen sechs und acht Minuten dauernden Arbeiten erweisen sowohl dem ungewöhnlichen Raumformat als auch dem Deutschen Filmmuseum Referenz.
Vadim Schäffler hat diese Aufgabe am augenfälligsten, fast möchte man sagen bequemsten, gelöst, nämlich mit einer alle vier Stockwerke erfassenden Windhose: »The Storm«. In permanenter Rechtsdrehung saugt dieser Star zahlreicher Katastrophenfilme vom Boden her kaum zu definierende geometrische Gegenstände an und in sich auf, um sie hochzuwirbeln und oben wieder auszuspeien. Manche der Teile kreisen wie Weltraummüll um den Koloss, andere kommen uns scheinbar so nah, daß wir sie nur flüchtig als Schatten wahrnehmen. Der Tornado dreht sich unheilvoll in permanenter Mutation, flammt plötzlich aus dem Inneren in wütendem Orange, während am Boden Klone rotieren und auf halber Höhe eine Schar von Minifiguren wie eine ungehorsame Kinderladengruppe mitten durch das Szenario tapst.
Eine schöne Adresse an das Medium Film ist auch »Utopia« von Eike, der auf sieben Tafeln Ausschnitte aus insgesamt 43 Science-Fiction-Filmen präsentiert. Nach wenigen Sekunden friert die Filmsequenz zum Bild ein und nimmt die Gestalt einer Computergrafik an, um sich immer weiter abstrahierend, als sei es von Ellsworth Kelly inspiriert, auf die bloße Struktur eines Gegenstands zu reduzieren.
Alexandra Hopfs »A Night at a Museum« lädt mit den Mitteln des Film noir zu einer Besichtigung ein, läßt sich aber tagsüber kaum wahrnehmen. Peter Zollers Film »Feuerwehr 2« spielt mit modellhaften architektonischen Formen, die sich verflüssigen und dann zu Skulpturen gerinnen. Juliane Ebners »Luftdruck« verfremdet gemalte Gesichter bis zur Unkenntlichkeit und Christine Schulz bewegt in »070716-090306« scheinbar willkürlich gewählte Bilder, darunter Hollywoods Buchstabenpanorama, in den Ups und Downs des Dax-Index zwischen dem 16. Juli 2007 und dem 6. März 2009. Warum auch immer, gegen Schluß wird die bespielte Wand zumehend von Ameisen bevölkert .

Vertikale bis 16. Juni 2013
Deutsches Filmmuseum
www.deutsches-filminstitut.de

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