Das Museum Angewandte Kunst zeigt »Contemporary Muslim Fashions«

Eine Dame geht nicht ohne Hut! So hieß es manchmal noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, dann schüttelten wir unsere Locken, dann kam das hinten festgebunden Kopftuch à la Brigitte Bardot auf und dann – die Kopftuchdebatte an den Schulen und im öffentlichen Raum. Und jetzt steht der Vorwurf im Raum, die Ausstellung »Contemporary Muslim Fashions« – nach San Francisco, wo der inzwischen ins Moma New York weitergewanderte Max Hollein sie initiierte, nun zum ersten Mal in Europa im Museum Angewandte Kunst (MAK) zu sehen – propagiere durch einige Modelle modischer Designerkleidung inklusive Kopfbedeckung die Unterdrückung der Frau in der islamischen Welt.
Eine solche Argumentation verkennt, dass es den Kuratorinnen um zeitgenössische modische Interpretationen muslimischer Bekleidungstraditionen in den Ländern vor allem des Nahen und Mittleren Osten geht. Also weniger um das Extravagante, Provokante der Mode, sondern mehr um das, was im »modesten« – also im züchtigen oder auch dezenten – Rahmen von Designern und Designerinnen entwickelt werden kann.
Und das kann wunderschön sein: farbenfrohe kostbare Stoffe, in phantasievollen Drapierungen um den weiblichen Körper, aber auch schlichte schwarz-weiße streng kostümartige Modelle mit und ohne entsprechende Behütung. Es geht, das wird dabei klar, um Mode und nicht um Religion. Auch ohne Bekenntnisdruck sind beispielsweise die todschicken schwarzweißen langen Abayas aus den Arabischen Emiraten tragbare Modelle, natürlich an Traditionen östlicher und fernöstlicher Haute Couture anknüpfend.
Bekleidung, festlich oder auch sportlich, soviel wird deutlich, ist hier geprägt von einer kunstvoll gefertigten Verhüllung des Körpers, weniger von der Darstellung seiner selbst.
In zwei Räumen sind zirka 80 Exponate am Modell zu sehen. Hoch interessant sind aber auch die vielen Fotografien und Videos; erstaunlich (oder auch nicht), dass die medial größte Verbreitung das irritierende »Chanel#VII« gefunden hat! Wohl weil es dem repressiven Vorurteil gegenüber muslimischer Mode am ehesten entspricht. Der verwegene Auftritt der »Desert Dream collection« spricht dagegen!
Mögliche politische Aspekte bleiben in dieser sonst eher affirmativen Modeausstellung nicht unbedingt ausgeklammert: Hinweise auf Burkini- und Kopftuchverbote in Frankreich (und Deutschland) und entsprechenden Protestdemos vor der französischen Botschaft in London (»We are burkini and bikini – Wear what you want«) sind dokumentiert. Doch das muss die Bewunderung für die Schönheit und die Reichhaltigkeit der Schau nicht schmälern, blind macht diese eine Form von Toleranz nicht.
Im Rahmen eines reichhaltigen Beiprogramms kann man/frau noch politisch – und handwerklich! – diskutieren: am 15. Mai (»Stitch by Stitch«) im MAK oder am 6. Juni, »Streitbar#04 Hijab: Unterdrückung oder Freiheit? Der Streit um das muslimische Kopftuch« um 19.00 in der Bildungsstätte Anne Frank. Keinesfalls sollte auf den Besuch der Ausstellung verzichtet werden! Leider etwas teuer, aber sehr empfehlenswert auch der wunderbare Katalog der Kuratorinnen Jill d’Alessandro und Laura L. Camerlengo vom Fine Arts Museum of San Francisco.

Katrin Swoboda (Foto: Modanisa)
Bis 15. September: Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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