»Brooklyn« von John Crowley

Ein irisches Schicksal

Bei der Verfilmung des Auswandererromans von Colm Tóibín haben sich mit Regisseur John Crowley, Drehbuchautor Nick Hornby und Hauptdarstellerin Saoirse Ronan drei bemerkenswerte Talente gefunden. Besonders Saoirse Ronan ist als schüchterne Irin, die sich zu Beginn der fünfziger Jahre zwischen alter und neuer Welt entscheiden muss, ein Ereignis.

Eilis, die im Irland des Jahres 1952 lebt, wird eher zum Auswandern gedrängt, als dass sie es aus ganzem Herzen will. So harmonisch ihr Leben mit Mutter und geliebter Schwester ist, so hat das Mädchen doch kaum Perspektiven. Weder ein solventer Bräutigam noch eine Stelle sind in Sicht. Sie kann lediglich stundenweise als Laden-Aushilfe unter der Fuchtel einer hartherzigen Besitzerin arbeiten. Der lokale Priester hat ihre Schiffsreise nach New York organisiert. Dort wird sie von einem irischen Priester, der ihr eine Unterkunft in einer Frauenpension und Arbeit besorgt, unter die Fittiche genommen.
Wer angesichts des Themas die Analogie zu heutigen Flüchtlingen sucht, liegt falsch, denn Eilis flieht weder vor Krieg noch Not, sie ist stets wohlbehütet. Das Netz über den Atlantik ins irisch geprägte Brooklyn ist dicht gespannt, wie sie später auf ungute Weise erfahren muss. Statt auf das äußere Drama der Auswanderung konzentriert sich die Verfilmung des Romans von Colm Tóibín auf die inneren Wandlungen und das »Coming of Age« eines jungen Mädchens. Eilis’ individueller Kummer und ihr verzögertes mentales Ankommen in der fremden Umgebung stehen gleichwohl allgemeingültig für die Zerrissenheit vieler Auswanderer.
Saoirse Ronan, die mit dem Drama »Abbitte« bekannt wurde, bietet gerade durch ihre Zurückhaltung ein spannendes Schauspiel. In ihrem stillen Gesicht wird das kleinste Lächeln zum Ereignis. Starr vor Heimweh vegetiert Eilis anfangs abgeschottet dahin. Erst als sie von einem munteren italienischstämmigen Verehrer umworben wird, verlässt sie ihr Schneckenhaus. Doch es dauert lange, bis das brave Mauerblümchen das lockere, geschäftstüchtige  »Keep Smiling« erlernt hat, sodass ihre alerte Chefin in dem exklusiven Kaufhaus, in dem Eilis hinter der Theke steht, fast verzweifelt. Wie anders war es in Irland, wo Kundinnen wie Bittstellerinnen behandelt wurden!
Stets aus Eilis’ Sicht erzählt der Film nach einem Drehbuch von Nick Hornby von Perspektiven und Haltungen. Da ist der in Trauer eingefrorene Tunnelblick auf weinende Menschen beim Auslaufen des Auswandererschiffes, die Fremdheit inmitten der Mädels, die in der Pension über Nylons, Make-up und Männer plappern; und dann die Ausweitung des Blicks, die mit Eilis’ zunehmendem Selbstvertrauen einhergeht: all das inszeniert John Crowley, der 2007 für sein beklemmendes Jugenddrama »Boy A« gefeiert wurde, mit großer Konzentration und Feinfühligkeit. Als Eilis wegen eines Todesfalles plötzlich zurück nach Irland muss, verändert sich ihre Perspektive erneut. Jetzt nimmt sie neben der verführerischen Nestwärme die Schönheit der alten Welt wahr – und wird selbst als begehrenswert wahrgenommen. Jetzt wird sie endgültig ihre Passivität ablegen, selbst die bittere Entscheidung treffen, Härte, Zielstrebigkeit und auch Egoismus entwickeln. Der Preis der Veränderung wird in diesem unsentimentalen und doch herzzerreißenden Film nicht beschönigt. Auf diskrete Art macht er spürbar, dass der Trennungsschmerz vielleicht niemals heilen wird.

Birgit Roschy
[youtube_sc url=“https://youtu.be/hU9GBORKNnM?list=PLjcFL0oC0tVvEKTeXmwjXFsvoX5SKxudF“]
BROOKLYN – EINE LIEBE ZWISCHEN ZWEI WELTEN
von John Crowley, USA 2015, 111 Min.
mit Saoirse Ronan, Domhnall Gleeson, Emory Cohen, Jim Broadbent, Michael Zegen
nach dem Roman von Colm Toibin
Drama
Start: 21.01.2016

Verlosung:

Zum Kinostart des Films verlosen wir in Zusammenarbeit mit Twentieth Century Fox 5 x 2 Freikarten für eine Vorstellung Ihrer Wahl (ausgenommen, sie ist ausverkauft).
Schicken Sie uns eine E-Mail an verlosungen@genie.strandgut.de mit ihrer Adresse und dem Kennwort »Brooklyn«. Einsendeschluss ist am 21. Januar.

2 Kommentare zu “»Brooklyn« von John Crowley”

Schreibe einen Kommentar zu Christiane Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert