»Birds of Passage« von Ciro Guerra und Christina Gallego

Wenn es um Drogen in den USA und um deren Herkunft geht, fallen einem sofort das Medellin-Kartell und Pablo Escobar ein. Das liegt nicht zuletzt an den Filmen, die es zu diesem Thema gibt. Unbekannt ist hingegen die Vorgeschichte. Ciro Guerra und Cristina Gallego erzählen nun davon, wie es zu dem Drogen-Export in die USA kam, der unter das indigene Volk der Wayuu erst Reichtum und dann Verderben brachte.

In ihrer Version, die unter dem Titel »Birds of Passage« in die hiesigen Kinos kommt, fing alles mit einer Gruppe US-amerikanischer Friedensaktivisten an, die in die Guajiara-Wüste im Norden Kolumbiens kamen, um dort vor dem Kommunismus zu warnen. Also im Grunde ganz harmlose junge Leute, die sich gelegentlich mit etwas Marihuana amüsieren wollten.
Das bekommen der Wayuu namens Rapayet (José Acosta) und dessen dunkelhäutiger Freund Moises (Jhon Narváez), also ein Alijuna (ein Anderer), mit. Er hat gerade in einem Initiationsritus um die hübsche Zaida geworben und braucht dringend Geld für die Hochzeitsgaben. Bei Zaidas Mutter Ursula (Carmiña Martínez) ist er nicht gut angesehen. Er habe wertvolle Kontakte zu den Alijunas, hat sein Onkel sie umzustimmen versucht. Er wird recht behalten, aber es wird ein gefährlicher Weg sein, auf den Rapayet Ursulas Familie führt.
Dabei ist nach wenigen Jahren ein treusorgender Familienvater, von Zaida geliebt. Doch die archaische Welt der Wayuu verändert sich zusehends. Das Geschäft mit dem Marihuana wird größer und größer. Wo zunächst Kolonnen von Maultieren die Marihuana-Ballen transportiert haben, fahren nun schwere Pick-ups. Der Reichtum hat Einzug gehalten. Moises ist der Erste, dem er nicht bekommt. Er erschießt kurzerhand zwei amerikanische Piloten, die anscheinend hinter dem Rücken der Familie Geschäfte gemacht haben. Die toten Drogenkuriere werden zusammen mit ihren Kleinflugzeugen beerdigt.
Der junge Leonídas (Greider Meza) ist der nächste Heißsporn, dem der Reichtum zu Kopfe steigt. Doch als Ursulas Familie von der primitiven Hütte in ein massives, neureich eingerichtetes Steinhaus umgezogen ist, verstummen die magischen Warnungen. Früher hatte in Träumen die Großmutter den mahnenden Finger erhoben, und die Matriarchin Ursula hatte Rapayet gedroht: »Die Geister werden mich vor dir warnen.« Jetzt sind die Geister fort, und die traditionellen Wortboten müssen versuchen, das Schlimmste zu verhüten.
Ciro Guerra, der mit »Der Schamane und die Schlange« (El abrazo de la serpiente) einen internationalen Erfolg feiern konnte, und Cristina Gallego, die bisher als Guerras Produzentin fungierte, zeichnen die Entwicklung mit kühlem Blick nach. »Birds of Passage« beginnt wie eine ethnografische Studie. Behutsam führt uns der Film in eine fremdartige Welt, die sich mehr und mehr in eine Szenerie verwandelt,wie wir sie aus Gangsterfilmen kennen. Doch auch als die Prunkvilla der Familie zerstört wird, zeigt der Film dies auf Distanz. Es bleibt eine fremde Welt; für zwei Stunden ist sie uns etwas näher gekommen.

Claus Wecker
BIRDS OF PASSAGE (Pájaros de verano)
von Ciro Guerra u. Cristina Gallego, CO/DK/MEX/D/CH 2018, 125 Min.
mit Carmiña Martínez, José Acosta, Natalia Reyes, Jhon Narváez, José Vincentes Cotes,
Drama / Start: 04.04.2019

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