Bad Vilbeler Burgfestspiele im Zeichen der »Blues Brothers«

theater_kritik_bad_vilbel_BluesBrothers_Gerber_Hiller_Rivas_Herrmann139Ganz schön cool

Ihr Beitrag zur Eindeutschung des Attributs »cool« dürfte kaum zu ermessen sein: Cooler als Dan Aykroyd und John Belushi in den Rollen von Jake und Elwood Blues geht’s  einfach nicht. Im Blacksuit mit Hut und Sonnenbrille gelten die beiden Hauptfiguren von John Landis’ 1980 uraufgeführtem Musikfilm »Blues Brothers« auch hierzulande als Inkarnation jener anti-konventionellen Gleichgültigkeit, die den längst domestizierten Begriff der Coolness ehedem noch ausgezeichnet hat.
Nun kann man nicht behaupten, in der Bad Vilbeler Musical-Version des Bruderstücks einer Wiederauferstehung des schon kurz nach der Premiere gestorbenen Belushi beigewohnt zu haben. Doch erweisen sich weder für Michael Hiller, der dessen Jake gibt, noch für Thomas Gerber als Elwood die Fußstapfen ihrer ohnehin schauspielerisch limitierten Vorbilder als zu groß. Okay, bei den Stimmen ist Luft, aber cool, soviel steht fest, sind sie irgendwie doch. Regisseur Christian H. Voss bewältigt jedenfalls den mit vielen Hürden gespickten Kurs fast ohne Schrammen, indem er sich ganz auf die mitreißende Musik des Klassikers und deren Interpreten verlässt.
Und das ist nicht wenig. Schließlich sind im Original dieser zutiefst amerikanischen Show leibhaftige Superstars wie James Brown, Aretha Franklin und Ray Charles mit ihren Soul-, Blues- und Gospelhits im Einsatz. Und wie die hier nicht ganz so populäre Swing-Legende Cab Calloway, deren »Minnie The Moocher« indes jeder kennt, sobald es zum  »Hi de Ho« anhebt. Very, very american ist freilich auch die banale Story von zwei im softkriminellen Milieu versackten Ex-Waisenheimkindern, die für ihren von der Pleite bedrohten kirchlichen Kindergarten ohne Rücksicht auf Verluste mit ihrer alten Band ein Wohltätigkeitskonzert organisieren und dabei »im Namen des Herrn« inklusive Verfolgungsfahrt mit Massenkarambolage das alte Chicago auf den Kopf stellen.
Die vertraute Burgarena vermittelt dieses Mal backsteinige Hinterhof-Feelings und wird auf allen Ebenen, Zinnen und Mauern bespielt. Elf Schauspieler, sechs Tänzer und die in einem hasenstallartigen Bühnengehäuse versteckte Live-Band sind für eine fulminante Schau in Aktion, die in erster Linie musikalisch (Günter Lehr) besticht, aber auch choreografisch (Kati Frakas) zu gefallen vermag und gesanglich mit drei Highlights besteht. Für das erste sorgt ein mitreißendes Gospel, das fast ohne schwarze Stimme auskommt, und für das zweite Sonja Hermanns verblüffend intensives Aretha-Cover von »Think«. Bei Carlos Rivas Interpretation von Cab Calloway schließlich gibt es kein Halten mehr im Publikum, das in der zweiten musikalisch dominierten Hälfte unter den treibend harten Rhythmen von »Everybody needs somebody« oder »Gimme-Some-Lovin« ohnehin in einen Retrotaumel gerät.
Das gilt zumindest für all jene, die mit den Blues-Brüdern in die Jahre und in die Burg mit dem passenden Outfit gekommen sind. Dass die Inszenierung eng an der legendären Vorlage klebt, hat nicht nur gute Seiten, wie die vor einer bespielten Leinwand inszenierten mimischen Trips im Bluesmobil von Hiller und Gerber. Wer den Film nicht kennt, wird aber weder der Nazi-Szene, noch den vielen Anrufungen des Herrn viel abgewinnen können – was freilich schnell untergeht. Großer Jubel in Vilbel mit und ohne Dress-Code.

Winnie Geipert
Termine: 16., 18., 19. August, jeweils 20.15 Uhr; 17. August 18.15 Uhr
www.kultur-bad-vilbel.de

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