Staatstheater Mainz zeigt »Maria Stuart« als Thriller von Schiller

»Sie kam ins Land als Mörderin« wird von vier Männern skandiert. Grob und rabiat. Dann durchsucht das finstere Quartett die Zelle der gefesselten Königin von Schottland. Ihre Amme Hanna schmettern sie mehrfach mit dem Kopf gegen die Wand. Im englischen Verließ genießt Maria Stuart keinen Respekt. Dass sie als Schutzsuchende zu Königin Elisabeth gekommen sein will, nimmt ihr hier niemand ab. Das Todesurteil für die Verschwörerin ist längst gefällt ‑ nur politisches Kalkül und Etikette lassen sie noch leben.
»Maria Stuart« ist die zweite Arbeit von Regisseur Dariusch Yazdkhasti am Staatstheater in Mainz. Seine erste, Ibsens »Ein Volksfeind«, bezog das Publikum derart mit ein, dass es als zeitgemäße Politposse erfahren wurde. Sehr viel anders als der Berliner Schaubühne kürzlich n China, wäre es seinem Volksfeind dort wohl auch kaum ergangen. Friedrich Schillers Drama aber wird als Politthriller im Guckkastenformat präsentiert. Obwohl jeder das Ende kennt, bleibt es bis zum ernüchternden Knall eines umgetretenen Metallschemels hochspannend in Mainz.
Wie Yazdkhasti das macht? Erstens, indem er nicht nur den Text stark konzentriert, sondern auch das Personal und neben den Königinnen nebst Amme nur vier bewusst überzeichnete, dafür umso klarere Charaktere auftreten lässt. Das Pokerspiel um die Macht, in dem selbst die Königinnen nur Schachfiguren intriganter Politiker sind, wird durch die Kürzungen eher noch transparenter – auch wenn die Psychologie dabei ins Hintertreffen gerät.
Zweitens, indem seine Bühnenbildnerin Anna Bergmann einen fast quadratisch kaschierten grauschwarzen Blickfang schafft, der sich in immer kleiner werdenden Formaten ins Endlose zu verlängern vermag und phantastische Schattenspiele (Licht: Peter Meier) und Projektionen (Video: Konrad Kästner) erlaubt. Zelle oder Palast, das macht in dem abstrakten Aufbau wenig Unterschied – es geht um das Wort, und es geht um die bösen Mienen zum guten Spiel.
Drittens hat Yazkhasti die Rollen großartig besetzt: Annika Baumanns Maria ist eine grandios bis zur Selbsterniedrigung um ihr Leben kämpfende Frau. Mit dem Nimbus der Unnahbarkeit tritt ihr Hannah von Peinens stark stilisierte Elisabeth gegenüber und bewegt sich doch auf dünnem Firnis auch sprachlich überragend. Zwar zeichnet ihre Begegnung mit der sich in den Staub werfenden Katholikin auch hier den Höhepunkt, haften bleibt aber auch, wie Elisabeth sich nach der Hinrichtung – ganz wie ihre Widersacherin vorher – ins gleißende Licht entfernt. Maria geht in den Tod, sie in die große elisabethanische Zukunft des Landes. Weit entfernt von Stephanie Eidts Abgang in der seelenverwandten Thalheimer-Inszenierung in Frankfurt ist das nicht. Mit im Boot sind Sebastian Brandes als Scharfmacher von Burleigh, Julian von Hansemann als übersteuerter Mortimer sowie Henner Mommsen (Graf von Leicester), Denis Larisch (Paulet) und die wunderbare Andrea Quirbach als Amme in zwei starken pausenlosen Stunden.

gt (Foto: © Andreas Etter)
Termine: 10., 20., 30. Oktober jeweils 20 uhr
www.staatstheater-mainz.com

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