Wer den 500-Euro-Schein nicht ehrt … (85)

… dem ist ja wohl gar nichts mehr wert. Der Untergang des Abendlandes und das Ende der ungezähmten individuellen Freiheit stehen dräuend vor den Toren unserer Republik. Das Bargeld soll abgeschafft werden, so jammern Kulturpessimisten, Münzsammler, Euroskeptiker, Verschwörungstheoretiker, Alt-Finanzminister, Neu-FDP-Vorsitzende und – ja sogar unser allseits geschätzter FR-Stalburg-Kolumnist Michi Herl. Was ist geschehen, das diese Republik in helle Aufregung versetzt? Da überlegt zum einen der EZB-Chefbanker Mario Draghi laut, ob nicht der 500-Euro-Schein abgeschafft sollte. Zugleich verkündet unser aller Finanzchef Schäuble, Bargeldgeschäfte jenseits der 5000-Euro-Marke verbieten zu wollen. Was das allerdings mit der Abschaffung von Bargeld zu tun haben soll, kann die versammelte Kritikergarde eigentlich nur so erklären, dass dies schließlich der erste Schritt auf dem Weg zum plastikgewordenen und bankendominierten Verlust des taktilen Geldwertgefühls sei.

Nun muss allerdings festgestellt werden, dass schon seit etlichen Jahren (wenn nicht gar Jahrzehnten), Löhne, Gehälter, Renten und sogar Hartz-IV-Zahlungen so ganz ohne Bargeld auf ein Bankkonto wandern, ohne dass dies dem Bargeld den Garaus gemacht hat. Und dass das Geld für die Miete in 500er Scheinen abgeholt und zum Vermieter getragen wird, kommt auch nur noch ganz, ganz selten vor. Dennoch werden Schreckensbilder an die Wand gemalt: soll jetzt in der Kirche statt des Klingelbeutels gar ein transportabler Kartenautomat durch die – zumeist leeren – Reihen wandern? 500-Euro-Scheine sind nach Ansicht dieser Mahner wohl Hauptbestandteil jeder Kollekte.

Bedeutungsvoll wird auf Schweden verwiesen: Dort gibt es doch tatsächlich an Kircheneingängen Automaten, die Kreditkarten akzeptieren. Na ja, die Schweden. Nicht nur, dass in diesem uns doch sehr fremden Nordland schon über 90 Prozent des Zahlungsverkehrs bargeldlos abgewickelt wird (bei uns weniger als die Hälfte), nein, Schweden hatte schon früher einen unheilvollen Einfluss auf unsere europäischen Geldangelegenheiten. Jahrhundertelang war es Usus, mit Münzen zu zahlen, auf die konnte man sogar beißen, um ihre Echtheit zu prüfen. Und so ein Goldtaler hatte ja auch Gewicht. Außerdem wäre diese ganze Jesus-Geschichte ohne den Verrat via Silberlinge doch nur halb so schön bildhaft – man stelle sich das mal mit 5-Euro-Scheinen vor! Und dann kamen die Schweden und brachten anno 1661 doch tatsächlich das erste Papiergeld auf den Markt. Also, das stimmt nicht ganz, weil schon 800 Jahre zuvor die Chinesen zum Papiergeld gewechselt waren, aber die hatten es ja schon sehr früh mit dem Papier. Die Verfechter des angestammten Hartgeldes sahen darin schon damals den Untergang unserer Geldkultur.

Um es kurz zu machen: mir ist es völlig egal, ob jemand seine Rolex mit fünzig 500-Hundert-Euro Scheinen bezahlen darf oder nicht. Nicht egal ist mir allerdings, dass die Mehrheit in unserem Land von der Existenz eines solchen Scheines allenfalls gehört hat, aber gar nicht in der Lage sein wird, jemals etwas mit so einem Schein zu zahlen. Nur unsere Autohändler jammern, denn sie lieben es, wenn die Kunden mit Bargeld anrücken. Allerdings finanzieren die meisten ihr Lieblingskind per Kredit und der läuft sogar oft noch über den Autohändler. Da fragt man sich schon, ob das Rüberschieben großer Bargeldsummen vielleicht doch auf nicht so ganz saubere Herkunft deuten könnte. Also liebe Kritiker: lasst uns allenthalben über die richtige Obergrenze (huch, da ist sie schon wieder) von Bargeldgeschäften diskutieren, aber malt doch nicht das Schreckensbild einer Welt ohne 5-Cent-Münzen und 10-Euro-Scheinen an die Wand, weil euch der 500er aus der Börse genommen wird. Den können wird dann wieder einführen, wenn auch der und die Letzte davon mindestens vier pro Monat ausgezahlt bekommen.

Jochen Vielhauer

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