»Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« von Martin McDonagh

Der Westen ist noch wild

Wenn das US-amerikanische Kino vom Leben in der Provinz erzählt, schwingt oft etwas vom Gründungsmythos der Vereinigten Staaten mit. Von der Eroberung eines Landes, von dessen Verteidigung und davon, dass das Recht durchgesetzt werden muss. Früher wurden diese Themen im Western behandelt. Aber seitdem dieses Genre obsolet geworden ist, überleben die Mythen in Dramen, die sich in der Gegenwart abspielen.

»Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« schildert so ein Drama, ist also amerikanisches Kino in geradezu exemplarischer Form. Ironischerweise inszeniert von dem Europäer Martin McDonagh, der auch das Drehbuch verfasst hat. McDonagh ist durch die aberwitzig schwarze Komödie »Brügge sehen und sterben« bekannt geworden. Von treffsicherem Sarkasmus ist auch sein neuer Film geprägt, der mit Frances McDormand und Woody Harrelson über ein sich wunderbar bekämpfendes Paar verfügt. McDormand, deren Gesichtszüge seit den Zeiten von »Fargo« härter geworden sind, spielt die verbitterte Mildred Hayes. Deren Tochter wurde auf dem nächtlichen Heimweg am Rande der Kleinstadt Ebbing vergewaltigt und ermordet. Weil seit der grauenvollen Tat viele Monate vergangen sind und die Polizei (fast) nichts zur Aufklärung des Falles unternommen hat, mietet Mildred drei vor sich hingammelnde Plakatwände (englisch Billboards), um sie mit einer Anklage gegen Sheriff William Willoughby zu versehen. Den gibt Woody Harrelson als stiernackigen Ordnungshüter mit eigenwilliger Rechtsauffassung. Mit Ressentiments gegen Schwarze und Schwule, die heutzutage die Indianer als Lieblingsfeinde abgelöst haben.
Mit ihrer Aktion hat Mildred sich nicht gerade viele Freunde geschaffen, denn die Bewohner von Ebbing, zumindest diejenigen, die etwas zu sagen haben, stehen zu ihrem Sheriff. Der entwickelt selbst allerdings ein gewisses Verständnis für Mildreds Wunsch nach Sühne. Das ist der originelle Dreh des Drehbuchs und gleichzeitig die große Chance für Woody Harrelson, der bisher nicht gerade durch besonders sympathische Rollen aufgefallen ist. Als Sheriff Willoughby darf er alle Stationen, von wütend über leise mitfühlend bis ironisch sowie auch etwas hinterhältig konternd, darstellen und dabei sein schauspielerisches Talent beweisen.
Willoughby ist nämlich todkrank. Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Deshalb leitet er auch noch eine Untersuchung ein, die allerdings erfolglos bleibt. Und er muss seinen Gehilfen Dixon (Sam Rockwell), ein stets gewaltbereiter Mann, der noch bei seiner Mutter wohnt, im Zaum halten. Es ist abzusehen, dass dies dem Sheriff nicht immer gelingen kann und dass die Ereignisse im Missouri-Städtchen eskalieren werden. Dass Mildred von ihrem Sühnewunsch nicht ablassen will, liegt auch an einer gewissen Mitschuld am Tod ihrer Tochter. Als diese nicht das Auto ihrer Mutter für ihr abendliches Vergnügen bekommt, malen beide eine drohende Vergewaltigung an die Wand.
Ist es eigentlich naiv, sich darüber aufzuregen, dass eine junge Frau sich in große Gefahr begibt, wenn sie nachts allein nach Hause läuft? Die Suche nach dem Täter führt zu einem aus einem Kriegseinsatz zurückgekehrten Soldaten, der einem Kumpan von seinen Untaten in Arabien berichtet. Das kann man als Hinweis auf die latente Gewaltbereitschaft auch im eigenen Land ansehen, gegen die nach amerikanischer Lesart nur (Gegen-)Gewalt hilft. Am Ende wird also der alte Eroberungsmythos in einen neuen Gerechtigkeitsmythos umgewandelt. Es wird schon den Richtigen treffen. An Deutungsmöglichkeiten lässt es der Autor McDonagh jedenfalls nicht fehlen, und das macht »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« neben dem exzellenten Erzählrhythmus und Carter Burwells dramatisierender Musik zu einem wahrhaft großen Film.

Claus Wecker
THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI
von Martin McDonagh, USA 2017, 115 Min.
mit Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell, Caleb Landry Jones, Kerry Condon
Tragikomödie
Start: 25.01.2018

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