Theaterhaus: zitronengelbundgrünwieklee

Theaterhaus: zitronengelbundgruenwieklee (Foto: La Senty Menti)Gedicht mit Haribo-Effekt

Im Nachhinein kommt es einem wie ein kleines Wunder vor. Eine gute Stunde lang verfolgen an einem Sonntagmorgen im Theaterhaus knapp zwei Dutzend zwischen fünf und zehn Jahre alte Kinder mit großen Augen und gespitzten Ohren weltvergessen, wenn auch selten still, das neue Solo »zitronengelbundgrünwieklee« der Frankfurter Kindertheatermacherin Liora Hilb.

Das kleine Wunder geht auf die altersübergreifende Faszination dieses Stückes, das Hilb für ihr Label »La Senty Menti« mit ihren Kasseler Partnern Helga Zülch (Regie), Werner Zülch und Axel Kretschmer (Klang) entwickelte. Denn weit davon entfernt, irgendeine spannende Geschichte zu erzählen, könnte man diese »Theatercollage für Kinder und Erwachsene« auch als performative Lyrik-Matinee auf Basis sprachkünstlerischer Meisterwerke von Christian Morgenstern bis Ernst Jandl begreifen – mit Haribo-Effekt.

Gottlob denken Kinder in anderen Mustern und Begrifflichkeiten, wenn Liora Hilb mit einer hochgestülpten braunen Tüte auf dem Kopf im breitgeschichteten schreigelben Tüll (mit ein paar kleegrünen Lagen) auf der nicht minder schreigelben Bühne mit rudernden Armen auf ihren Rollschuhen aufrollt. 15 Gedichte bereitet dieser nie zur Ruhe kommende Derwisch und Springinsfeld auf und verzichtet dabei auf jede anbiedernde Moderation. Nicht alle sind leicht, nicht alle sind lieb oder lustig. Doch scheint es auf der Stufenleiter zwischen fasziniertem Staunen, vagem Ahnen und verständigem Wissen für jedes einzelne Alter – Eltern inbegriffen – einen Modus vivendi des Rezipierens zu geben. Ob es nun Ernst Jandls populäres Gedicht »Eulen« ist oder Inge Meyer-Dietrichs Mutti-Schimpfe, die mit »Mama, du bist heute blöd« durchaus Kindererfahrungen wiederspiegelt, oder Wolfgang Mennels Zählverse mit der »tomatenblauen Krawatte« – die Texte kommen an.

Allerdings sorgen nicht nur die wundersamen Wort-Jonglagen, sondern auch die seltsamen Geräusche und Instrumente für geballte Aufmerksamkeit. Gedicht um Gedicht wird mit den erstaunlichsten Klangobjekten zelebriert, die der Kasseler Künstler und Musikperformer Axel Kretschmer aus Alltagsgegenständen entwickelt. Mal zieht Liora deklamierend eine grausilberne Bettwärmeflasche auf klapprigen Laufrädchen hinter sich her, mal lässt sie einen alten Wecker so lang tosend Alarm schlagen, bis ein Nonsens-Reim von Hans Adolf Halbey in das Lärmfenster passt. Mal dreht sie – für Ernst Jandls »Eulen« – mit einem unheimlichen Sirren ein mit einem dicken Einmachgummi bespannten Propeller. Dass Liora Hilb es prima versteht, ihre jungen Zuschauer mit ihrem vielseitigen Minenspiel am Zauber der Sprache und Worte teilhaben zu lassen, hat freilich seine Schattenseiten. Von dieser seltsamen Person, die so schnell von bitterbös nach lustig kann, eine Abschiedstüte zu nehmen, in die man ein Gedicht sprechen kann, das trauen sich denn doch nur zwei.

Winnie Geipert
Termine:
5.2. (9.30 Uhr), 6.2. (11 Uhr),
7.2. (11 Uhr) und 9.2. (15 Uhr)
www.theaterhaus-frankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert