Stalburg-Theater: Cornelia Niemann ist »Schneewittchen antik«

theater_stalburg_schneewitteMärchenprinzessin landet in der B-Ebene

Nein, nein: Die Heldin der jüngsten Stalburg-Produktion hat nichts mit Iphigenie und Antigone am Hut. Das Adjektiv »antik» beschreibt lediglich das subjektive Gefühl des einst stiefmütterlich mit einem Apfel vergifteten Schneewittchens nach dem Erwachen im gläsernen Sarg und dem ernüchternden ersten Blick in den Spiegel. Nicht nur der Prinz ist ausgeblieben, auch Jugend und Schönheit sind weg. Die Märchenprinzessin ist in die Jahre gekommen und so alt, aber auch handfest, wie seine Darstellerin Cornelia Niemann, die schon vor gut 40 Jahren zum Ensemble des Schauspiels wie des TAT gehörte. Die gefühlten 17 aber, mit denen die Betrogene im Hier und Jetzt um ihr Happy end kämpfen will, nimmt man der 70-jährigen jederzeit ab.
Zu Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart bis Irving Berlin singt, spielt und vor allem babbelt sich das ehedem zarte Kind nun als Frankfurter Schlippsche durch die Unbilden der Gegenwart. Dass ihre Haare so schwarz wie Ebenholz, ihr Kleid so weiß wie Schnee und ihre Lippen so rot wie Blut sind, lässt die Polizei in der B-Ebene indes eher an eine illegale Einwanderin denken. Also taucht Schneewittchen ab, jobbt verschleiert in Döner-Läden, als Putze, als Tagesmutter und für einen Euro die Stunde bei der Frankfurter Tafel, bevor das Reality-TV sie als Witta von Grimm zur Charity-Queen macht. Und so weiter und so weiter, quer durch die dummdigitalisierte Moderne.
Niemann hat für diesen Liederabend eine Geschichte konstruiert, die trotz einer Vielzahl von Pointen und Pointchen wohl in erster Linie dazu dient, sie zu den im Playback eingespielten Melodien zu tragen. Was denn auch gelingt. Dass die Kabarettistin ihre Songs, darunter »Oh, What a Beautiful Morning« und  »My Prince Will Come«, ausnahmslos hessisch intoniert, bedeutet indes nicht zwingend einen kulturellen Zugewinn. Allerdings geizt Cornelia Niemann auch mit ihrem Können und singt die meisten Lieder immer nur an und dann bruchstückhaft weiter, um witzelnd bis albern Entertainer-Talk einzuflechten. Traut sie sich nicht? Oder ihrem Publikum? Auch wenn sie dieses mit starker Präsenz souverän und jederzeit für sich einnehmend im Griff hat und dafür gefeiert wird, läuft die Show doch auf ein Las Vegas nach Hausmacherart hinaus. Die netto anderthalb Stunden, es gibt eine Pause, haben ihren rührendsten Moment, wenn das verschleierte Schneewittchen zu einem wunderschönen türkischen Volkslied (»Üsküdara«) ohne jede Ironie von der Freiheit des Zusammenlebens in Deutschland schwärmt. Das hat dann tatsächlich was von Frankfurt und von konkreter Utopie. Und ansonsten Luft nach oben.

Winnie Geipert
Termine: 8. Februar, 20 Uhr
www.stalburg.de

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