Städel Museum zeigt großartige Bilder von Jean-Antoine Watteau

Liebesspiele und Galanterien

Er kommt 1702 als 19-jähriger aus Valenciennes nach Paris, gilt gemeinhin als der »Erfinder« des Rokoko: Jean-Antoine Watteau (1684–1721). Hauptsächlich sind es seine Gemälde, denen er diesen Ruf verdankt. Eine Handvoll davon, nebst solchen von Zeitgenossen und seinem Vorbild P.P. Rubens sowie rund 60 seiner Zeichnungen und Skizzen sind nun in einer bemerkenswert sanften Ausstellung des Städels zu sehen. Mithin ein schöner Kontrast zum lauten  »Geschlechterkampf« im selben Haus.
Ausgangspunkt ist die »Einschiffung nach Kythera«, das zu seinen berühmtesten Gemälden gehört und das Neue, das Watteau dem Publikum bescherte, gut erkennen lässt. Da malt einer ein Bild, das eine illustre Gesellschaft im Aufbruch an einen Ort darstellt, der als mythischer Geburtsort der Venus für Zwanglosigkeit und »freie Liebe« steht. Als sei eine Woodstock-Mottoparty angesagt, entern die Menschen in bunten theatralen Kostümen das Schiff zur »Pilgerfahrt« – erkennbar an den umgelegten Krägen.
Watteau, bis dahin als Bühnen- und Kulissenmaler tätig, gelingt mit der »Einschiffung« 1717 die Aufnahme in die Französische Akademie für Malerei, ein unerlässliches Trittbrett für den Sprung in die Selbstständigkeit als Maler. Nicht »Mottoparty«, sondern »fêtes galantes« nennt man von nun an die Darstellung des Zeitvertreibs der gehobenen Gesellschaft in Parks oder lieblichen Landschaften. Ein Pariser Leben, das sich fern vom steifen höfischen Zeremoniell in Versailles austobt. Als ländliche Vergnügung, aber auch auf Jahrmärkten, auf den Straßen, im Theater, sogar in der Oper.
Der Hauptakzent der Bilderauswahl des Städel liegt indes nicht auf den nur wenig mehr als schuhkastengroßen Ölgemälden, sondern in seinen Zeichnungen und Skizzen. Auch hier gibt es Neues: Die Skizzen sind nicht wie bisher üblich als Vorlage für anstehende Gemälde gedacht, sondern eher Studien vor allem von Bewegung und Haltung. Watteau interessiert sich nicht für Akte, sondern für den Faltenwurf von Gewändern, für deren Veränderung in der Bewegung, für die Theatralik des Auftritts. Und dazu lässt er seine Modelle auch mal in verschiedenen Kostümen durchs Atelier laufen, um die Schnelligkeit ihrer Bewegung mit schnellen Strichen einzufangen Er findet seine Sujets bei Straßenkünstlern, den  »Savoyarden«, in der exotischen Kleidung der persischen Gesandtschaft oder den Figuren der Commedia dell’ Arte.
Die Plastizität seiner Figuren erreicht er durch die Verwendung von Rötel, später auch schwarzer und weißer Kreide. Feucht aufgetragen, können sie leicht verwischt oder schraffiert werden – und überdies – einen »Abklatsch« auf dünnem Papier von ihnen machen, der dann für den Druck oder Stich weiterverwendet werden kann, aber durchaus auch eigenen ästhetischen Reiz entwickelt. Ein Abklatsch, lernt man so nebenbei, ist keinesfalls immer was Schlechtes. Im Gegenteil: So zart, so treffend und empfindsam sind diese leichten hingezauberten Gesichter, Szenen und eingefangene Augenblicke, dass es keiner großen Dramatik bedarf, um von ihnen berührt zu sein.
Schnell noch hin, (bis 15. Januar), bevor einen der Geschlechterkampf überwältigt!

Katrin Swoboda (Foto: © Städel)
Bis 15. Januar 2017: Di., Mi., Sa., So. 10–18 Uhr; Do., Fr. 10–21Uhr
www.staedelmuseum.de

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