Städel Museum: »Dürer. Kunst – Künstler – Kontext«

Dürers Heller-AltarGeschäftstüchtiger Geist

Haste mal ‚nen Dürer? Unter Zockern, Halbseidenen und den Freischachfrührentnern im Bethmann-Park war das vor der Einführung des Euro eine recht gängige Frage. Sowie der Heiermann für das Fünf-Mark-Stück, das Pfund für den Zwanzigmarkschein, so stand ein Dürer für den Zehner, auch als der junge Langhaarige auf der Note längst durch Carl Friedrich Gauß abgelöst war. Das Konterfei galt lange als Selbstporträt des jungen Albrecht, inzwischen weist die Forschung die Vorlage Lukas Cranach dem Älteren zu.

Dass man bei Dürer so schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, hat freilich damit zu tun, dass der genialische Nürnberger Immigrantensohn – der Vater kam aus Ungarn – nicht nur immens produktiv und vielseitig, sondern auch geschäftstüchtig war. Dazu gehören neben der zeitgängigen Werkstattproduktion und der Präferenz für die reproduzierbare Druckgrafik, auch die Inszenierung des Monogramm-Brandings AD und der Kampf um den Schutz dieses Copyrights.

Das ist ein vielleicht etwas sehr profaner unter den vielen Aspekten der großen Ausstellung »Dürer. Kunst – Künstler – Kontext« im Städel-Museum, die das knapp 40-jährige Wirken des von 1471 bis 1528 lebenden Malers, Zeichners, Grafikers und Kunsttheoretikers der Renaissance beleuchten. Doch rückt die Schau auch das verbreitete Bild des einsamen Genius Dürers zurecht und demonstriert am Beispiel von Werken künstlerischer Zeitgenossen, die Inspirationsquellen des in regem Erfahrungsaustausch stehenden Künstlers genauso wie seine herausragende Stellung.

Ein Höhepunkt des Dürer-Spektakels und angeblich der Anlass für dieses ist der Frankfurter Heller-Altar, dessen drei in verschiedenen Museen verteilte Flügel, erstmals seit 200 Jahren wieder komplett zu sehen ist. Entstanden ist der Altar im Auftrag einer der reichsten Frankfurter Kaufmannsfamilien für ihre geplante Grabstätte im Dominikaner-Kloster. Auf Dürer geht das in zweijähriger Arbeit 1509 entstandene Hauptbild der Mittelwand zurück, die Bayern-Herzog Maximilian I. Anfang des 17. Jahrhunderts separiert erwarb. Für die Dominikaner ließ der hoheitliche Kunstsammler von dem Nürnberger Maler Jobst Harich die hier zu sehende Kopie fertigen, die das Städel-Museum mit zahlreichen vorbereitenden Originalzeichnungen Dürers illustrieren kann. Das Original wurde beim Brand der Münchner Residenz von Maximilian I. zerstört, die Flügel des Altars stammen von Grünewald.

Die über zwei Etagen ausgebreitete Ausstellung umfasst rund 250 Werke, darunter auch der noch immer rätselhafte Holzschnitt »Melancolia I« (1514) und die »Apokalyptischen Reiter« (1498). Dagegen muss auf manches Markenprodukt wie »Der Hase« aus konservatorischen Gründen verzichtet werden. Unter den 30 Gemälden Dürers findet sich auch das Porträt der Kaufmannsfrau Elisabeth Tucher, das einst den Zwanzig-Markschein schmückte. Das Äquivalent in Euro reichte heute nicht einmal mehr für den Eintritt.

Lorenz Gatt
Bis 2. Februar: Di., Mi., Sa., So. 10–19 Uhr; Do., Fr. 10–21 Uhr
www.staedelmuseum.de

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