Schirn: Street-Art Brazil

Alexandre Orion, Frankfurt am Main, 2013, Gebäude der Sparkasse in der Junghofstraße 27 (Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013/Norbert Miguletz)Zwischen Sachbeschädigung und Kunst

Es gibt den § 303 – Sachbeschädigung – (1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. – (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. – (3) Der Versuch ist strafbar. Der § 304 – Gemeinschädliche Sachbeschädigung ergänzt das Dilemma für Street-Artisten, die ohne Genehmigung malen und sprayen.

»Die Schirn präsentiert vom 5. September bis 27. Oktober erstmals in Deutschland die Vielfalt der brasilianischen Graffitikunst im Frankfurter Stadtraum.« Dem Vorwurf der Sachbeschädigung ist die Schirn bereits im Vorfeld entkommen. Mehrere städtische Ämter und der Dezernent für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt haben die Genehmigungen für die Kunstaktion erteilt. In der Zukunft wird vielleicht einmal eine Hot-Line eingerichtet, die kurzfristige Genehmigungen für berühmte lokale Street-Art-Artisten per SMS erteilt.

 

Die Künstler

Die ornamentalen blauen Arabesken Zezãos erzeugen in den ärmsten Gegenden São Paulos eine eigentümliche Schönheit an Flächen und Mauern oder legen sich dreidimensional über Gegenstände ihrer Umgebung, wie den Brandruinen der Favela do Moinho.

Nunca führt die Tradition der Murals fort. Seine Figuren aus indigenen und afrikanischen Motiven mit Elementen aus der zeitgenössischen Konsum- und Alltagskultur wirken wie Collagen.

Die farbenprächtigen Arbeiten Gais in den Favelas von Rio de Janeiro plaziert, eröffnet einem erweiterten Publikum abstrakte Kunst in seiner dekorativen Malweise.

Traumwelten voller Fantasiewesen bestimmen die Bilder des Künstlerduos Jana Joana & Vitché. Ihre Clowns, Harlekins und Vögel prägen das Erscheinungsbild des Stadtviertels Cambuci in São Paulo.

Herbert Baglione verkündete 1997 in São Paulo, dass sein Pseudonym »Cobal« tot sei. Unter seinem bürgerlichen Namen malt er heute geisterhafte Schattengestalten auf Straßen und andere Bodenflächen.

Onesto macht seine Betrachter  aufmerksam auf politische oder soziale Themen. Seine Werke bilden sich aus spontanen, situativen Begegnungen mit Passanten.

In seinem Projekt »Ossario« (Grabstätte) dienen Alexandre Orion die von Abgasen geschwärzten Wände eines Tunnels in São Paulo als Malgrund und Farbe. Auf 300 m Länge entstanden Totenköpfe durch das Abwischen des Rußes. Den mit Farbe gemischten Ruß aus São Paulo verwendet Orion als Material seiner 400 m² großen Arbeit in Frankfurt.

Fefe Talavera druckt ihre Buchstaben selbst und fügt diese zu großformatigen »Monster Paintings« zusammen. Talaveras Figuren erinnern an die farbenprächtigen »Alebrijes« – Pappmaché-Figuren, die Pedro Linares 1936 entwarf und die Teil der mexikanischen Volkskunst sind.

Für Rimon Guimarães ist das Malen auf der Straße eine Performance. Die Stadt ist seine Bühne. Sprühen, Tanzen, Musik mit »Alltagsgegenständen« wie Eimern, Fahrradklingeln und der eigenen Stimme. Die Malereien von Speto erzählen Geschichten, die von der »Literatura de Cordel«, mit Holzschnitten illustrierte mystische Geschichten, beeinflusst sind. Ausgangspunkt von Spetos Bild an der Fassade der Frankfurter Matthäuskirche ist eine selbstgeschriebene Cordel-Dichtung über den skurrilen Tag eines »motoboys«. Von den 220.000 Motorradkurieren der Stadt Sao Paulo sterben viele täglich bei ihren rasenden Fahrten durch den dichten Verkehr.

Tinhos Arbeiten stellen gefesselte, weinende oder kauernde Kinder dar, die er anhand von Fotovorlagen aus Vermissten- oder Suchanzeigen auf Tomaten- oder Milchverpackungen malt. Eine Reminiszens an die ungezählten Entführungen von Kindern in den 1990er Jahren.

 

ORTE:

Schirn: Rotunde, Decke des östlichen Arkadengangs, Außentreppenhaus (beidseitig); Bauzaun auf dem Römerberg; Fußgängerunterführung Untermainbrücke (Innenstadtseite); Wand am Gebäude Niddastr. 64; Straße der Frankfurter Hauptwache; Glasportal der Deutsche Bank-Türme an der Taunusanlage 12; Fassade der Matthäuskirche in der Friedrich-Ebert-Anlage 33; Teil der Fassade des Alten Polizeipräsidiums in der Friedrich-Ebert-Anlage 5–11; Gebäude der Frankfurter Sparkasse in der Junghofstr. 27 und der Neuen Mainzer Straße 59; Fassade in der Neuen Mainzer Str. 57; Bauzaun am Gelände der KfW Bankengruppe an der Bockenheimer Landstraße 102–104; U-Bahn-Zug der Linie U5.

 

DAUER:

5. September – 27. Oktober 2013.

 

INFORMATION:

www.schirn.de

Tel.: +49.69.29 98 82-0

 

ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN:

Mi. 18 Uhr, Sa. 18 Uhr und So. 16 Uhr. Treffpunkt in der Rotunde der Schirn. Ohne Anmeldung. Freier Eintritt.

 

Die App:

Damit man nicht durch die Stadt irrt und »großformatige Sachbeschädigungen« anderer Artisten mit der STREET-ART BRAZIL verwechselt, hat die Schirn eine App in deutscher und englischer Sprache entwickelt, die den Besucher nicht nur durch die Stadt navigiert, sondern zudem mit atmosphärischen Filmen, Fotos und Hintergrundtexten über die brasilianische Szene informiert. Hier können Sie die App laden: http://itunes.apple.com

 

SOCIAL MEDIA:

Zur Ausstellung kommuniziert die Schirn im Social Web mit den folgenden HASHTAGS: #streetartbrazil; #schirn; #graffiti; #frankfurt.

ONLINE-MAGAZIN: www.schirn-magazin.de. FACEBOOK: www.facebook.com/Schirn. TWITTER: www.twitter.com/Schirn. YOUTUBE: www.youtube.com/user/SCHIRNKUNSTHALLE

 

Ticker:

»Am Wochenende ist es in den brasilianischen Metropolen Rio de Janeiro und Sao Paulo sowie in anderen Städten wieder zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Demonstranten wandten sich gegen Korruption, Misswirtschaft und die Milliarden-Investitionen in Infrastrukturprojekte für die Fußball-WM 2014 und Olympia 2016, während Gesundheits- und Bildungssystem sowie der öffentliche Nahverkehr vernachlässigt werden.«

 

Hier noch das globale Verzeichnis legaler Wände: http://www.legal-walls.net

 

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