Schauspiel Frankfurt zeigt Arthur Millers »Alle meine Söhne«

Väter und Söhne im Krieg

Purismus, die Zweite: Mehr noch als in der Romanadaption »Das siebte Kreuz« (Anna Seghers, 1942), die er mit Liedern aus Franz Schuberts »Winterreise« anreicherte, folgt der Regie führende Frankfurter Intendant Anselm Weber in »Alle meine Söhne« (Arthur Miller, 1947) dem Credo des Schauspielertheaters. Kein Video, kein Nebel, kein Schnickschnack nirgendwo, nur der Text, das Spiel und eine funktionale Bühne (Lydia Merkel), die hier, ins Parkett ragend, als Hausterrasse angelegt ist.
Ein paar Stühle noch, Treppen nach den Seiten, über die Nachbarn kommen oder es zum Parkplatz geht. Alles ist greifbar nah, heimisch intim in diesem Aufbau. Sehr vertraut wirken auch die Gestalten, die man aus der eigenen Familie oder TV-Serien zu kennen meint: ein Vater, Joe (Michael Schütz), jovial, ein wenig onkelhaft, wohlhabend und, Geniestreich von Irina Bartels (Kostüme), mit der Unangreifbarkeit des Neureichen allemalö leicht geschmacklos gekleidet; und ein Sohn, Chris (Nils Kreutinger), »the real McCoy«, der dem Vater eine langweilige Anständigkeit gegenüberstellt.
Aber wir sind ja nicht naiv, Joe Keller, der nette Kerl, der, wie wir erfahren, in seiner Fabrik Flugzeugteile produziert und seine Nachbarn beim Pokern gewinnen lässt, behandelt auch uns so: Hinter jedem Scherz, hinter jeder Selbstironie, mit der er uns gefällt, lauert etwas Deviantes; aber doch kaum wirklich Böses, oder?
Nun aber werden die Karten aufgedeckt. Da gibt es familiäre Konflikte. Der ältere Sohn der Kellers, Larry, stürzte vor drei Jahren als Kampfpilot ab. Vater und Chris gilt er als tot, nur Mutter Kate, von Katharina Linder packend gespielt, insistiert mit fundamentalreligiöser Inbrunst auf seine Wiederkehr: Larry lebt.
Was sie noch nicht weiß: Chris ist längst einig mit Ann, ehedem Verlobte des Un-Toten, eingeführt von Sarah Gruner in sowas-von-rotem Kleid..
Ann ist die Tochter von Joes einstigem Kompagnon, der eine Gefängnisstrafe absitzt, weil er der Air Force wissentlich fehlerhaftes Material lieferte und so den Tod von 21 jungen US-Piloten verursachte, und verachtet den Vater. Bis ihr Bruder George (Thorsten Flassig) zu zweifeln beginnt: Hat ihr stets gehemmter Dad wirklich die Verantwortung übernommen? Oder gehorchte er nicht doch dem dominanten Partner Joe, der am besagten Tag wie aus dem Nichts krank gewesen sein will? Eine Konstellation, die Theaterkenner an Henrik Ibsens »Die Wildente« und TV-Serienfans an »Dallas« erinnern dürfte – und fatale Folgen zeitigt.
Natürlich ist es Joe, der die Piloten auf dem Gewissen hat. Und auch Larry, der aus Scham den Freitod suchte. Und seinen Partner, den er dazu antrieb, weil das Schicksal der Fabrik an diesem Auftrag hing. Indem Joe aber der bleibt, der uns vorgestellt wurde, rückt er auch die Verhältnisse zurecht und gibt sich – tuend, was er eben tun muss – die Kugel. Zuvor aber prangert er inWorten, die man auch 70 Jahre nach der Uraufführung bedenkenlos unterschreiben kann, die von Profitgier geleitete Kriegsindustrie seines Landes an. »Krieg und Frieden, das sind Dollar und Cent. (..) Wenn ich ins Zuchthaus gehöre, dann gehört das halbe Land dahin.« Sätze, die im Film von 1948 (Regie: Elia Kazan) wohlweislich ausgeklammert wurden, und die Webers intensive Inszenierung mit Wucht zurückkommen lässt.

Thomas Bagatsch (Foto: © Hans Jürgen Landes)
Termine: 19. Januar 2018, 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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