Schauspiel Frankfurt: Dogville

Claude de Demo (Foto: Birgit Hupfeld)Verausgabt bis zur Erschöpfung

Premiere: Claude de Demo spielt die Hauptrolle in »Dogville«

Die Frauen, denen sie in der laufenden Saison des Frankfurter Schauspiels bisher Gestalt gibt, haben alle etwas Schräges. Fanny (»John Gabriel Borkman«), Arsinoe (»Der Menschenfeind«) und Melanija (»Kinder der Sonne«) ticken als die Nebenrollen-Stars ihrer jeweiligen Inszenierung ein wenig anders, als es sich schickte, und werden, so wie sie Claude de Demo zeigt, vom Publikum dafür geliebt.

In ihrem neuen Stück, der Theaterfassung des Lars-von-Trier-Films »Dogville«, wird es die Luxemburgerin den Zuschauern weniger leicht machen, sie zu mögen. Das Mitglied des Frankfurter Ensembles spielt die Hauptrolle der vor Gangstern fliehenden Grace, die von den puritanisch-rechtschaffen anmutenden Einwohnern der Gemeinde Dogville erst vorsichtig freundlich aufgenommen und dann gar als ein Geschenk des Himmels empfunden wird, um im Sog einer sich unmerklich ausbreitenden Skepsis in ein grauenhaftes Martyrium zu schlittern. In ihrer selbstlosen, als Mission für eine bessere Welt begriffenen Zuneigung zu ihren Peinigern mutiert die christushaft immer wieder verzeihende Grace (zu deutsch: Gnade) für die Dörfler zu einem seelenlosen Objekt, von den Kindern verhöhnt, den Frauen bespuckt und den Männern bestiegen. Bis sie beim alles verkehrenden Showdown an der Seite ihres (Gott-?)Vaters gnadenlos zur Abrechnung schreitet.

Eine Herausforderung sei diese Rolle, die von ihr verlange, sich in jemanden einzufinden, der sich partout nicht wehre, meint de Demo. In eine Frau, die allein gegen alle, gegen eine ganze Gemeinde stehe und duldsam körperlichen und psychischen Schmerz erleide, weil sie an die Läuterung dieser Menschen glaube. Das könne man nicht einfach schauspielern per Fingerschnipp, weiß sie nicht zuletzt aus ihrer Rolle der unglücklichen Marianne in Horvaths »Geschichten aus dem Wiener Wald«. Viel mehr noch als jene Tochter des Zauberkönigs sei Grace eine Figur, die sich nur aus einem Zustand der totalen Erschöpfung erfahren lasse. Das große schwere Wagenrad, das die Film-Grace zu schleppen habe, werde wie bei den Proben auch in der Inszenierung ein echtes sein.

Indes werde von Triers Film nicht nachgespielt, sondern der Inszenierung von Karin Henkel (in Frankfurt: »Drei Schwestern«, »Die Wildente«) lediglich die Themen liefern, verrät de Demo. Wie etwa das vom Ideal einer auf die Einsicht der Menschen bauenden besseren Welt. Mehr als drei Wochen vor der Premiere am 11. April seien die Schauspieler mit ihrer Regisseurin aber noch tief im Prozess der Findung einer gemeinsamen Lesart dieses von religiösen Metaphern vollgepfropften vielschichtigen Textes und seiner subtilen sozialen Prozesse. Auch wenn nicht alle Figuren aus der Filmvorlage vorkommen, werde »Dogville« – ganz wie der Film – mit einem Großaufgebot von (prima) Schauspielern aufwarten, darunter etwa Isaak Dentler als Lkw-Fahrer Ben, Katharina Bach als Liz und Andreas Uhse, der aus der Film-Gloria einen Bühnen-Henry macht. Ein kleines Betriebsgeheimnis bleibt, wie die räumliche Transparenz des theaterartig konzipierten Dogma-Films im wirklichen Schauspiel umgesetzt wird.

Winnie Geipert
Termine: 11., 12., 17., 28. April, 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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