Schauspiel Frankfurt: Die Blechtrommel

Schauspiel Frankfurt: Die Blechtrommel (Foto: Birgit Hupfeld)Der ewige Oskar

Ausblick: Schauspiel Frankfurt zeigt »Die Blechtrommel« als Solo für Nico Holonics

Und Oskar Matzerath trommelt doch. Vom 11. Januar an schlägt der Held aus Günther Grass‘ Jahrhundertroman »Die Blechtrommel« im Frankfurter Schauspiel auf seine rotweiß gezackte Bauchlade. Ursprünglich für den Oktober als Inszenierung des russischen Regisseur Konstantin Bogolomov mit Großbesetzung geplant und dann wegen eines Bühnenunfalls (s. Strandgut 10/2014) auf unbestimmte Zeit verschoben, wird »Die Blechtrommel« nun als Solo in einer Fassung des inszenierenden Intendanten Oliver Reese aufgeführt.
Auf der vorgebauten Brettl-Bühne des Großen Hauses wird dann einzig und allein Nico Holonics als Oskar Matzerath stehen und seine Geschichte erzählen. Der 32 Jahre alte in Leipzig geborene Schauspieler ist erst vor zwei Jahren zum Frankfurter Ensemble gestoßen und spielte sich dort mit seinen Auftritten als Johannes Pinneberg in »Kleiner Mann, was nun?« und als Ritter Graf vom Strahl in »Käthchen von Heilbronn« schnell nach vorne in der Publikumsgunst. Oliver Reese wiederum bewies zuletzt mit der Thomas-Bernhard-Inszenierung »Wille zur Wahrheit« und davor mit Roddy Doyles »Die Frau, die gegen Türen rannte« (mit Bettina Hoppe), dass er Literaturvorlagen grandios in Monologform zu gießen weiß.
Folgt man Holonics, dann hat das Ergebnis nichts mehr mit dem Vorhaben des Sommers unter Bogolomov zu tun. Es sei ein selbstständiges Projekt, für das er auch als Titelheld gedanklich auf Neustart gegangen sei, erklärt der Schauspieler. Rund 60 Seiten Text habe er nach dem aktuellen Stand zu bewältigen. Das eben, was Reese als Essenz aus dem 800-seitigen Meisterwerk von 1959 auch im Licht des Spielzeitmottos »Über Leben« und der im Februar (2. – 15.) anstehenden Themenwoche zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz extrahiert habe. Zwei Stunden zehn, so meint er, werde er für seine »bisher schönste Arbeit« brauchen. Mit Pause.
Für einen Schauspieler sei die Rolle dieses sich wie ein Gott gebärdenden Zwergs, der von Geburt an die Welt kapiert und mit drei Jahren weitsichtig beschließt, nicht mehr zu wachsen, »ein Fressen«, weist Holonics auf die Tragik und Hybris dieser irrlichternden, grotesken Figur, die Täter und Opfer, Terrorist und Verweigerer im Deutschland des aufziehenden Faschismus sei – und immer auch ein armes Kind. Nur mit Frauen habe sich Oskar verkalkuliert: 98 Zentimeter Körpergröße seien nun mal nicht das Gardemaß in den Augen der Marias dieser Welt.
Dass Holonics in der Vorbereitung mit Oliver Reese die Gelegenheit hatte, den Autor in Hamburg zu besuchen, macht das Engagement für ihn natürlich perfekt: »Besser geht es nicht!« Grass habe im Gespräch selbst immer wieder gestaunt über das, was ihm da im Alter von 30 Jahren literarisch gelungen ist, und werde bei der Premiere zugegen sein.
Der Autor werde seine Schöpfung Oskar Matzerath dann als den ewigen Trommler seiner Geschichte auf einer mit kaschubischer Erde übersäten puristischen Bühne wiederfinden. Als einen Mann, der seine Geschichte wieder und wieder erzählen müsse, um am Leben zu bleiben. Ein Bob Dylan mit Trömmelchen auf Never-Ending-Tour, aber auch ein Grass, der von sich sagt, er müsse schreiben, um am Leben zu bleiben.

Winnie Geipert (Foto: Birgit Hupfeld)
Termine:  11. (Premiere) + 29. Januar, 19.30 Uhr; 18. Januar, 18 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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