Schauspiel Frankfurt bringt »Punk Rock« ins Bockenheimer Depot

Schauspiel Frankfurt: Punk Rock (Foto: Birgit Hupfeld)Schulhof-Thriller

Mit Musik hat »Punk Rock« vorderhand wenig zu tun, das Jugenddrama von Simon Stephens. Eher mit Emotionen, Haltungen, Befindlichkeiten einer Generation. Den Anstoß zu »Punk Rock« gab ihm der Amoklauf zweier Teenager an der Columbine High School in Colorado 1999, die Mutter aller »School-Shootings«. Stephens lässt es in England spielen, an einer gehobenen Schule des trostlosen Vorortes Stockport bei Manchester, die nicht direkt der Elite, aber Leistungsstarken gewidmet ist und lotet die Gefühlswelten von sieben Mitgliedern einer Klasse in einer schwierigen Etappe ihres Lebens aus. Kurz vor der entscheidenden Prüfung, an der Schwelle des angstbesetzten Erwachsen-Seins, kurz vor dem ersehnten Raus aus dieser Stadt, vor dem Absprung bringt eine neue Mitschülerin die Balance der Gruppe ins Wanken.

Der Berliner Regisseur Fabian Gerhardt bewundert das Gespür, die Sensibilität des britischen Autors für die Jugendlichen, seine unvoreingenommene genaue Beobachtung. Ein ideales Sujet für seine Aufgabe, die Abschlussarbeit der Schauspielstudenten der Frankfurter Hochschule für Musik und darstellende Kunst (HfMDK) zu inszenieren, die das Schauspiel Frankfurt frühjährlich zur Aufführung bringt.

Auf seinen Zugang zu den Darstellern angesprochen, schwärmt Gerhardt nachgerade von der großen Homogenität dieser Abschlussklasse. Schön, intelligent, verständig und musisch hoch begabt brächten sie auch als Gruppe alles mit, um den Figuren aus »Punk Rock« richtiges Leben einzuhauchen, ihnen »Dreidimensionalität« zu geben. Auch die Protagonisten des Stücks seien überdurchschnittlich gebildet, begabt und situiert. Stephens habe mit einem starken Schuss Dramaturgie, den er aber etwas aufweichen wolle, klar konturierte Profile von Jugendlichen angelegt und fast ein Ratespiel entworfen. Sein Schulhof-Thriller lasse bis zum Schluss offen, ob es der Streber, das Weichei, die Schickse oder der Tyrann sein wird, der Amok läuft, oder doch der Außenseiter. In den Vorproben Mitte Januar sei es ihm darum gegangen, die Darsteller auf die jeweiligen Charaktere einzuschwören, erklärt Gerhardt. Er habe sie dazu verpflichtet, den Text nicht anzufassen, um sich der Rolle, die sie spielen sollen »von unten« anzunähern. Vier der sieben Szenen fänden in Großbesetzung statt. Nur wenn man die Figuren erschließe, lasse sich die Gruppendynamik, wie auch ihr Versagen glaubwürdig umsetzen.

Diese Überzeugung kommt bei einem ehemaligen Schauspieler, der zu seinen prägendsten Erfahrungen die Zusammenarbeit mit Jürgen Gosch in Berlin (»Drei Schwestern«) zählt, nicht von ungefähr. Als Regisseur arbeitet der 42 Jahre alte Geburtsberliner seit vier Jahren frei. Seine Highlights? »Immer das nächste Stück«. Demnach war sein letztes »Burn Baby Burn« am Deutschen Theater.

Für die angehenden Schauspieler der HfDMK dürfte Simon Stephens Punk Rock nicht nur unter biografischen Gesichtspunkten zu einer außergewöhnlichen Erfahrung werden. Die Gruppe hat erst vor wenigen Wochen vielbeachtet mit Regisseur Gert Wölbern das Doku-Drama »Der Kick« von Andres Veiel in der Naxos-Halle aufgeführt, das auch im Januar-Strandgut besprochen wurde. Der brutale Mord durch Bordstein-Kick im rechten Prekariats-Milieu Ostdeutschlands hat die Darsteller allerdings mit einem dumpfen Schlag Menschen konfrontiert, die ihnen wie vom andern Stern vorgekommen sein müssen. Zumindest fühlte man sich als Zuschauer trotz allen Entsetzens in die Position des staunenden Zoobesuchers versetzt. »Punk Rock« bringt dagegen die eigenen Verhältnisse zum Tanzen. Die Musik übrigens machen die Darsteller selbst.

Winnie Geipert
Termine:
21., 22., 23., 27., 28., 30. März, 20 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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