»Rot und blau« ab 10.9.2015 im Kino!

»Rot und blau« ab 10.9.2015 im Kino!Wo Schicksale aufeinandertreffen

»Rot und blau« von Giuseppe Piccioni

Eine Schule in Rom – mit unmotivierten Schülern und geforderten Lehrern. Alles ganz normal. Doch »Rot und blau«, der Film von Giuseppe Piccioni nach einem Roman von Marco Lodoli, ist alles andere als normal. Mit so viel Empathie, ohne dabei irgendetwas zu beschönigen, ist seit »Etre et avoir – Sein und haben« keine Schule im Kino geschildert worden.

»Der Film ist keine Anklage gegen das Schulsystem«, sagt Piccioni. »Er entstand aus meinem Wunsch heraus, die Schule als einen Ort darzustellen, an dem so viele Schicksale aufeinandertreffen, all die Hoffnungen und Enttäuschungen von Jung und Alt.« Man lebt ein paar Jahre miteinander, und es lernen keineswegs nur die Jüngeren von den Älteren.
Stellvertretend für die Älteren stehen drei Protagonisten: die erfahrene Schulleiterin, die versucht, die Ordnung aufrecht zu erhalten (dafür bringt sie sogar das Klopapier für die Schülertoiletten von zu Hause mit), der junge, idealistische Lehrer und der alte, völlig desillusionierte, der in einer Vergangenheit lebt, die es so vermutlich nie gegeben hat.
Anstrengend ist der Arbeitsbeginn für Giovanni Prezioso (Riccardo Scamarcio). An seinem ersten Tag verspätet er sich und wird prompt von der Direktorin Giuliana (Margherita Buy) ermahnt, die – beinahe hätte sie es vergessen – noch ein Willkommen hinterherschickt. Im Klassenzimmer erwartet Giovanni ein Tohuwabohu. Mühsam verschafft er sich Gehör, und es gelingt es ihm sogar, die Schüler zum Aufstehen zu bewegen, wenn er ihren Namen ruft. Nicht aus Gehorsam, sondern damit er sie sich besser merken könne, sagt er.
Giovannis Start ist exemplarisch für die kommenden Machtproben, die nicht immer leicht zu bestehen sein werden. Zumal er attraktiv ist, ein interessanter Mann für die älteren Schülerinnen. Eine von ihnen, Angela (Silvia D‘Amico), verliebt sich in den jungen Professore, der nicht darauf eingehen darf, sie aber auch nicht vor den Kopf stoßen will. Wie Giuseppe Piccioni die Begegnungen zwischen beiden inszeniert, ist allein schon den Kinobesuch wert.
Wenn es um Gefühle geht, vor allem um diejenigen, die die Protagonisten lieber nicht hätten, weil sie ihnen im Wege stehen, läuft Piccioni immer wieder zu großer Form auf. Das war schon in »Nicht von dieser Welt« so, als der Besitzer einer Kleiderreinigung sich in eine junge Frau verliebte, die Nonne werden wollte. Margherita Buy spielte damals die Novizin; jetzt, in »Rot und blau«, ist sie die strenge Schulleiterin. Signora Buy ist ein Geschenk für einen Regisseur, eines, das sich Piccioni in fünf Filmen gemacht hat. Sie kann kleinste Stimmungsänderungen mit ihrer Mimik ausdrücken, etwa wenn sie der Schulalltag nervt, wenn sie ihren Mann vernachlässigt oder sich notgedrungen um den Schüler Enrico (Davide Giordano) kümmert, dessen Mutter verschwunden ist. Giuliana, die lieber Lehrerin als Mutter sein will und deshalb kinderlos geblieben ist, sieht sich plötzlich in die Rolle der Ersatzmutter gedrängt.
Manche Begegnungen hinterlassen wehmütige Gefühle, eine andere entwickelt sich unerwartet positiv. Der griesgrämige, von Roberto Herlitzka mit unterkühltem Witz grandios dargestellte Professore Fiorito, der im Unterricht zu rauchen pflegt und die meisten seiner Schüler verachtet, wird schließlich, indem ihn eine ehemalige Schülerin bewundert, von seinem Pessimismus erlöst. Rot und blau sind die Farben der Lehrerstifte an italienischen Schulen, an denen bisweilen auch Lebensentwürfe korrigiert werden.

Claus Wecker
ROT UND BLAU (Il rosso e il blu)
von Giuseppe Piccioni, I 2012, 95 Min.
mit Margherita Buy, Riccardo Scamarcio, Silvia D‘Amico, Gene Gnocchi, Davide Giordano, Elena Lietti
Tragikomödie
Start: 10.09.2015

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