»Richard Serra – Props, Films, Early Works« im Museum Wiesbaden

Schwerstarbeit aus dem 20. Jahrhundert

Objekte aus Stahl. Riesenhaft. Monumental. Mit seinem Heavy-Metal-Werk gehört Richard Serra seit vielen Jahrzehnten schon zu den internationalen Top-Künstlern. Aus kleinen Modellen lässt er Kunst aus Stahlplatten herstellen, gefertigt wird zumeist in Hochöfen in Deutschland. Der Amerikaner, der während seines Studiums selbst einige Jahre in einem Stahlwerk gearbeitet hat, betreibt seine Kunst als schweißtreibende Angelegenheit: Seine Kunst evoziert immer Industrielles, harte Arbeit, eine besondere, heute etwas in die Jahre gekommene Modernität.
Wenn Serra sagt, er versuche der Leere eine Form zu geben, dann gelingt ihm das auf stets sehr ähnliche Weise: Aus Stahl schafft er Räume, begehbare Großskulpturen, welche die Schwerkraft selbst zum Thema haben, deren Volumen in einem ausbalancierten Verhältnis stehen. Das Monumentale, Schwere wirkt erstaunlich leicht bei Serra.
Nun zeigt das Museum in Wiesbaden eine Ausstellung des 1939 in San Francisco geborenen Künstlers, der einst bei Josef Albers studiert hat. Im Zentrum der Schau mit dem Titel »Richard Serra. Props, Films, Early Works« stehen frühe Arbeiten aus den 60er und 70er Jahren, darunter Hauptwerke aus dem Museum of Modern Art, dem Whitney Museum of American Art, der Tate, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und der Bayerischen Staatsgemäldesammlung.
Serras Ästhetik ist die eines »Heroen der Moderne«, wie die Ausstellungsmacher ihn nennen. Doch die Frage sei erlaubt: Welche Relevanz hat die Kunst Serras heute? Was sagt er zu den drängenden Fragen der Gegenwart? Die Verleihung des mit 18.000 Euro dotierten Alexej-von-Jawlensky-Preises durch die Landeshauptstadt Wiesbaden an Serra ehrt einen modernen Klassiker, dessen Werk im Kontext der Museumsarbeit – mit dem Schwerpunkt auf amerikanische Kunst des 20. Jahrhunderts – durchaus Sinn macht. Er reiht sich perfekt ein in die Reihe der Preisträger Agnes Martin, Robert Mangold, Brice Marden, Rebecca Horn und Ellsworth Kelly.
Das Thema des vierfachen Documenta-Teilnehmers ist die physische Erfahrung des Raumes. Ein Raum, der »in Biegungen, Verengungen und durch die schiere Kraft des Materials fühlbar wird«, wie die Kuratoren sagen. Das alles klingt ganz stark nach Kunstkonzepten, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und noch davor en vogue waren, doch kann diese Schau womöglich verdeutlichen, was Serra uns heute noch zu erzählen vermag. »Im Grunde möchte ich Skulpturen machen, die für eine neue Art von Erfahrung stehen, die Möglichkeiten von Skulptur eröffnen, die es so bislang nicht gab«, so hat Serra seinen Anspruch einmal beschrieben.
Inhalte lehnt er ganz ab, ihm geht es nur um die Form. Seine Kunst mutet beinahe archaisch an – sie ist eine Ode an die Welt der schweren Arbeit, wie Peter Forster in seinem lesenswerten Katalogbeitrag ausführt. »Die Bedeutung des Kunstwerkes liegt für mich in der ihm eigenen Anstrengung, nicht in der Intention.« So hat Serra sein eigenes Werk einmal nicht ohne Pathos beschrieben.
In Wiesbaden zu sehen sind unter anderem die objekthaften »Props« (von engl. »Stütze«), jene frühe Werkgruppe von im Museumsraum effektvoll gruppierten industriell gefertigten Bleiplatten, die trotz ihrer Masse fragil und temporär erscheinen. Eine der zentralen Arbeiten nennt Serra auch sinnigerweise »House of Cards« – ein Kartenhaus, das suggeriert, immer neu gebaut werden zu können. In Wahrheit jedoch ist die Position der Platten unveränderlich.
Begleitet werden diese zwölf »Prop Pieces« von zeitgleich entstandenen Arbeiten aus Gummi und weiteren Materialien sowie von einer Serie konzeptueller Filme, welche die menschliche Hand als Arbeitsgerät des Bildhauers in Szene setzen. Ein anderer der frühen Filme ist »Railroad Turnbridge« aus dem Jahr 1976, bei dem eine Drehbrücke zum Akteur wird.
Im letzten Raum der Wiesbadener Ausstellung sind schließlich Arbeiten zu sehen, die mit Ölkreide auf Leinwand, Stahl und Papier entstanden sind, wie Kurator Jörg Daur ausführt: »Indem Serra den Raum bricht, zeigt er uns zugleich eine größtmögliche Freiheit auf. Wo seine Werke irritieren und Standpunkte befragen, entlassen sie den Betrachter aus dem Zwang, nur eine vorfestgelegte Position beziehen zu können.«

Marc Peschke (Foto: © Bernd Fickert)
Bis 18. Juni: Di.–So. 10–17 Uhr; Di., Do. bis 20 Uhr
http://museum-wiesbaden.de

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