Museum Wiesbaden: Rheinromantik. Natur und Kunst

Museum Wiesbaden: »Loreley« von William TurnerTurner und der letzte Stör

Da springt doch das vaterländische Herz gleich im Kreis, wenn der »romantische Rhein« solche Wellen schlägt wie in der Wiesbadener Ausstellung »Rheinromantik. Kunst und Natur«. Sollte man fürchten. Und wird auf das Schönste überrascht, weil alle Museumswege zwar in den Keller, dort aber zu den so lichten wie lichtempfindlichen Farben von William Turner führen, der hier mit 21 Aquarellen wie kein anderer vertreten ist. Mehr noch: Die Schau gilt einem von Nationalpathos und Industrie noch nicht kontaminierten Sehnsuchtsort und lässt politische Konnotationen ganz außen vor.
Dass man stattdessen häufig an Tourismuswerbung denkt, liegt in der Natur der Sache wie in der Sache der Natur. Die Entdeckung des Rheins zwischen Köln und Mainz als malerisches Sujet geht Hand in Hand mit seiner Entwicklung zum Reiseziel und setzt massiv nach den Napoleonischen Kriegen ein, als immer mehr Briten das Rheintal durchquerten.
Turner war ein knappes Dutzend Mal am Rhein, seine früheste Ansicht entstand 1817, die späteste um 1840. Der separierte Bilderreigen zeigt, wie sich der Künstler zunehmend dem Gegenständlichen entzieht und wie seine Leuchtfarbwerke sich auch von den Arbeiten seiner Landsleute abheben, die ihren Markt bevorzugt mit hinterwäldlerischen Ansichten bedienen. Alles Moderne bleibt ausgespart zugunsten eines an artigen Weinhängen, verwunschenen Burgruinen und Stadtsilhouetten gemächlich vorbeiziehenden Stroms, den hier und da ein Bötchen kreuzt. Vom Fortschritt hatten die Briten zuhause genug, den wollten sie nicht auch noch an der Wand.
Den malerischen Boden für die Rheinromantik bereitet schon 200 Jahre früher ein anderer Ausländer, der Niederländer Herman Saftleven (1605-1689), mit verklärenden, bisweilen verspielten Kompositionen und weiten Panoramen. Dem Vorromantiker folgen Einheimische wie die Flörsheimer Malerfamilie Schütz, die Mainzer Brüder Schneider, die mehr an den topografischen Eigenheiten des Rheintals orientiert waren, aber auch ein Carl Hilgers, der den Rhein mit Gruß an Caspar David in eine bedrohliche Eislandschaft verwandelt.
Mit einem starken Bezug zur Naturforschung jener Zeit kehrt das Museum Wiesbaden zudem seinen Status als Zweispartenhaus, den es mit der Neueröffnung des naturhistorischen Flügels am 8. Mai erstmals wieder erlangt, wie auch seine Entstehung hervor. Die Gründung des Museums im frühen 19. Jahrhundert geht auf die Schätze des Frankfurter Allround-Sammlers Johann Isaac Freiherr von Gerning zurück. Ihm gehörten die Schütz-Bilder, aber auch die bewundernswert farbkonservierten Schmetterlinge, die Gesteinsproben und ein drei Meter langer Koloss von Stör. Es ist der letzte im Rhein gefangene seiner Art.
Bis 28. Juli; Di, Do: 10-20 Uhr;
Mi, Fr, Sa, So: 10-17 Uhr

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