Museum Wiesbaden ehrt Maria Sybilla Merian

Das Tagpfauenauge und die Brennessel

Es ist keine große Schau, aber doch ein mächtiges Ausrufezeichen, mit dem das Museum Wiesbaden auf den 300. Todestag für Maria Sybilla Merian hinweist. Die Kabinettausstellung mit rund 50 Exponaten der Künstlerin und Forscherin ist neben einer Würdigung in Nürnberg die einzige Veranstaltung zu diesem Gedenktag in Deutschland. In Merians Geburtsstadt ist es derweilen still. Erst im Herbst will das Städel Museum der Frankfurterin in großem Rahmen Referenz erweisen.
Immerhin fühlt sich Wiesbaden keineswegs unberufen. Merians Präparate, Schmetterlinge im Wesentlichen, gehörten zum Grundstock der Bestände bei der Gründung des Hauses, respektive dessen Vorgängers, des Naturwissenschaftlichen Museums.  Sie waren Teil der insgesamt 40.000 Exemplare wirbelloser Tiere umfassenden Sammlung von Johann Christian von Gerning, die durch die Vermittlung Johann Wolfgang von Goethes Anfang des 19. Jahrhunderts als Schenkung in die Kurstadt gelangten – nur wusste man bis vor nicht allzu langer Zeit nicht viel von diesem Schatz .
Es ist erst ein paar Jahre her, dass das Museum zusammen mit der holländischen  Künstlerin Joos van de Plaas durch Forschung und Vergleiche mit den über 300 Jahre alten Darstellungen surinamischer Insekten einzelne Präparate Maria Sybilla Merian zugeordnet werden konnten. Die im Herbst 2013 mit der Schau »Second Life« (Strandgut 12/2013) in Wiesbaden gewürdigte Niederländerin steuert mit »Butterfly Cloud«, einer sehr poetischen Installation eines tanzenden Schwarms buntester Schmetterlinge, zu dieser Hommage bei.
Maria Sybilla Merian hat ihr Interesse an Pflanzen und Insekten wie auch am Zeichnen schon als Kind entwickeln können und stets verfolgt. Schon mit 13 Jahren spürt die Tochter eines bekannten Kupferstechers der Metamorphose des Seidenspinners nach, der in Frankfurt, dem europäischen Zentrum des Seidenhandels, ein beliebtes Zuchtobjekt war. Erste Publikationen sind das in Blattfolgen erschienene Blumenbuch (1871) sowie die dreiteilige Arbeit »Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung« (1873), dessen letzter Band erst in ihrem Todesjahr 1717 erscheint. Die Ehe mit dem Maler Graf führt Merian nach Nürnberg und die spätere Trennung von diesem über den vorübergehenden Anschluss an eine pietistische Sekte nach Holland, wo sie mit Pflanzen und Tieren der Übersee vertraut wird. Sie will auch das Leben der exotischen  Insekten studieren und geht für zwei Jahre nach niederländisch Guayana (Surinam). Auf ihren dortigen Studien basiert das von betörender Farb- und Formenpracht geprägte Werk  »Die Verwandlung der surinamischen Insekten« (Metamorphosis insectorum surinamensium).
In Wiesbaden sind nun einige der identifizierten originalen Tierpräparate aus dieser Reise nebst deren Zeichnungen ausgestellt, was aufgrund der Lichtempfindlichkeit der Objekte besonders, weil höchst selten ist. Im Zentrum der Schau aber steht Merians  Interesse für die heimischen Insekten und ihre genau beobachteten Lebensbereiche, sämtlich vertraute Arten wie den Kohlweißling, das Pfauenaugen oder den Zitronenfalter. Durch neun mit mordernsten Methoden in Glashauben geschützte Dioramen werden Merians Tafeln dreidimensional in Szene gesetzt.  Sie zeigen die Insekten jeweils in drei Lebensstadien samt ihrer pflanzlichen Wirte und der tierischen Nachbarschaft. So entdeckte die Pionierin unter vielem anderen, dass die Raupe des Tagpfauenauges sich ausschließlich von Brennnesseln ernährt.

Lorenz Gatt
 
Bis 9. Juli: Di., Do. 10–20 Uhr; Mi., Fr.–So. 10–17 Uhr
www.museum-wiesbaden.de

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