Museum Wiesbaden: Die Mitmach-Ausstellung »Erdreich« wirbt für den Boden

Wo der Wurm drin ist!

Es klingt nicht eben einladend, wird aber von den Besuchern freudig registriert, dass die Ausstellung »Erdreich« im Museum Wiesbaden mit einem kniehohen Haufen dunklen Etwas beginnt, der genau das darstellt, was man befürchtet. Groß wie ein Termitenhügel ist diese um das Hundertfache vergrößerte Nachbildung der Ausscheidung des – man wird es kaum raten – Regenwurms!  
Ausgerechnet ihm, dem Wurm fällt gleich zu Beginn der Schau alle Aufmerksamkeit zu, was wie eine große  Wiedergutmachung anmutet für all die Schmach, mit der wir ihn sprachlich so bedenken. Der Kot des Tieres enthält das 14-fache des Normalbodens an Nährstoffen, die der Schleimer sich aus den Tiefen als Mineralien und von oben aus Pflanzen einverleibt, welche er aber erst von Bakterien mundfertig zersetzen lässt. Ein Filmchen zeigt, wie der Erdarbeiter ein mehrfach großes und schweres Blattwerk in die Tiefe zerrt. Dass er eine Lieblingsspeise für Vögel ist und Fischen schmeckt, wundert nun nicht mehr, so sehr man ihn bedauert.
Zu den beeindruckenden Informationen gehört, dass der selten mehr als 15 Zentimeter große Winzling die Erde auf dem Weg der Verdauung permanent mit neuem Humus belegt. Schon Charles Darwin selbst, weiß die Kuratorin Susanne Kridlo, hat die Leistung des Wurms als großen Kulturbeitrag gerühmt, verhilft er doch den Archäologen immer wieder zu neuen Funden. Aber auch die lockernden Gänge, die er ins Erdreich gräbt, sind für die Fruchtbarkeit der Böden  entscheidend, brechen sie doch Wassern, Wurzeln und Bakterien Bahn. Der laut Wikipedia in mehr als 400 Arten existente Regenwurm wird überdies mit 23 Fotografien des Bodenforschers Otto Graff gewürdigt.
Am Wurm führt folglich kein Weg in Wiesbaden vorbei. Doch bestreitet der König der 1. Abteilung  nur einen kleinen Teil der Schau, die verschiedensten Aspekten der noch jungen Bodenforschung nachgeht. Dabei geht es um die anderen Bewohner der Unterwelt und ihre Gewohnheiten, vom Maulwurf und Hamster bis zu den Bakterien. Ein Drittelkubikmeter-großer Aushub (hier als Modell) enthält Billionen von Organismen. Und nicht nur die Tiere kommen zu ihrem Recht, auch die Pflanzen und ihr für die Böden bedeutendes Wurzelwerk sind bedacht. Fünf Meter misst ein Wurzelpräparat von einem Löwenzahn in der Vitrine, 21 Wurzelzeichnungen von Erwin Lichtenegger und 22 Aquarelle der Humusforscherin Annie Francé-Harrar stehen aus, davon zwei im Original.
Zu den Vorzügen der Schau gehört, dass sie nicht den ökologischen Zeigefinger schwingt, sondern einzig das Ziel verfolgt, die Bedeutung des Bodens und seiner Lebensbedingungen verständlich zu machen. Alles Weitere folgt daraus von selbst. »Wir sehen uns in der Rolle einer Werbeagentur für den Boden«, unterstreicht Kridlo.
Schon deshalb ist die Ausstellung mit reichlich Mitmachangeboten vor allem für Familien angelegt. Während die Eltern dem Einfluss der Bodenbeschaffenheit auf den Geschmack des Weines nachgehen, sich wundern, wie viele Böden in Hessen oder Spaten in Europa es gibt, erfährt der Nachwuchs an einer Erosionsmaschine durchaus nicht geräuschlos wie die Erdgeschichte mit Eiseskälte, Gluthitze und immenser Wasserkräfte aus nacktem Felsstein  feinsten Sandstrand macht. Der große Hit aber sind die vier großen Sandbecken für zukünftige Archäologen. Dabei gilt es mit gebotener Vorsicht und Schläue sowie dem richtigen Werkzeug ganze Gräber mit Menschenskelett, alte Häuser oder ein Maultierskelett mit seiner Last freizulegen. Wurmfrei, versteht sich.

Lorenz Gatt (Foto: © Museum Wiesbaden)
Bis 17. April: Di., Do. 10–20 Uhr; Mi., Fr.–So. 10–17 Uhr
www.museum-wiesbaden.de

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