Museum Giersch: Von Frankfurt nach New York – Jula und Eric Isenburger

Die Entdeckung eines Verlustes

Wer ist diese Frau? Sie zieht die Blicke auf sich auf den Plakaten. Es ist Jula Isenburger (1908–2000), eine in den zwanziger Jahren erfolgreiche Tänzerin, porträtiert von ihrem Mann, dem nahezu vergessenen Künstler Eric Isenburger (1902–1994). In einer ersten großen Retrospektive versucht das Museum Giersch nun, beide dem Vergessen zu entreißen.
In einer jüdisch-bürgerlichen Familie in Frankfurt geboren und aufgewachsen, lernte Eric Isenburger an der Musterschule und beim Städel-Schule-Vorläufer »Frankfurter Schule für freie und angewandte Kunst« bei F.K. Delavilla. Als Künstler gehört er zu den Vertretern einer »klassischen Moderne«, er selbst sieht sich als »Spät-Impressionisten«, doch greift das angesichts seiner im Giersch vorgestellten Vielseitigkeit (Portraits, Interieurs, Stillleben, Grafiken, Zeichnungen, Plakate und Bühnenbildentwürfe) viel zu kurz.
Bonnard, Martisse und auch Picasso, die er sämtlich kannte, blieben ihm zeitlebens Vorbilder, seinem als überholte Kunstrichtung taxierten Stil blieb er dennoch treu. So erinnert »Interieur mit zwei Stühlen« (1925) an ein bekanntes Motiv von van Gogh und »Meer und Kai in Provincetown« (1956) an Paul Gaugin. Auch eine sehr eigene Übermal und Kratztechnik Isenburgers ist zu sehen, die an geheimnisvolle Vexierbilder denken lässt.
Überaus beeindruckend ist die starke Beziehung zu seiner späteren Frau Jula Elenbogen. Eric lernt die 17-jährige Polin 1925 in Frankfurt kennen, schon 1927 heiraten sie trotz familiärer Widerstände und bleiben ein Leben lang zusammen. Ihre Porträts gehören zu den schönsten der Ausstellung, selbst das der schon 74-Jährigen von 1982. Sie, die sich in Wien, wohin die beiden 1927 übersiedeln, zur Ausdruckstänzerin ausbilden lässt, eröffnet ihm die Welt des jüdisch geprägten (Tanz-)Theaters. Plakate und Bühnenbilder sichern dem Paar zeitweise den Lebensunterhalt.
Die uns wenig bekannte – verlorene – Welt des jiddischen Theaters ist mit eindrucksvollen Fotografien vor allem im dritten Stock der Ausstellung dokumentiert, darunter berührende Porträts des Schriftstellers Oskar Rosenfeld, und Yehuda Ehrenkranz’, beide vermutlich in Auschwitz ermordet.
In Berlin, wohin die Isenburgers 1931 umziehen, hat Eric erste Ausstellungserfolge und wird von Wolfgang Gurlitt entdeckt und gefördert, auf dessen Rat er 1933 nach einem Hetzartikel in einer Nazi-Zeitschrift nach Frankreich flieht. Nach der Inhaftierung als »unerwünschte Ausländer« im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence (Eric), wo kleine Zeichnungen von Mithäftlingen oder Aufsehern entstehen, und Camp de Gurs (Jula), gelingt es ihnen 1941 mit einem Visum in die USA auszureisen, deren Staatsbürger sie 1949 werden.
Im Nachkriegsdeutschland findet das Künstlerpaar kaum mehr Beachtung. Einzig Gurlitt organisiert 1962 noch einmal eine Einzelausstellung in München. Nur zwei deutsche Privatgalerien haben Werke Isenburgers erworben. In Frankfurt, seiner Geburtsstadt, gibt es nur ein einziges Bild, im Jüdischen Museum: ein Selbstporträt, mit obligatorischer Pfeife.
Die meisten Exponate der Schau im Museum Giersch kommen aus Privatbesitz. Wie gut, dass es in Neuburg an der Donau eine Eric und Jula Isenburger Gesellschaft gibt, und ein Zentrum für verfolgte Künste in Solingen. Die Stadt Frankfurt hat da einiges nachzuholen. Im obersten Stockwerk sind auch Filme und Tonaufnahmen zu sehen und zu hören. Schnell hin vor Weihnachten und Chanukka, der Katalog ist ein wunderbares Geschenk!

Katrin Swoboda (Foto: © Uwe Dettmar)
Bis 11. Februar: Di.–Do.12–19 Uhr, Fr.–So. 10–18 Uhr
www.museum-giersch.de

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