Museum für Kommunikation: »Oh Yeah! Popmusik aus Deutschland« in Ton und Bild

Alles außer Rödelheim

Man kann Musik sehr wohl auch ausstellen, man muss sie nur díngfest machen, wie es das Museum für Kommunikation (MfK) nun zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit beweist. Vor knapp anderthalb Jahren hat das soeben mit neuer Dauerausstellung spektakulär bestellte Haus (siehe Kasten) unter dem Titel »Jukebox, Jewkbox!« den Einfluss jüdischer Musiker auf die sich mit der Schallplatte herausbildende Populärkultur demonstriert. Jetzt blickt es mit »Oh Yeah! Popmusik in Deutschland« auf neun Dekaden deutscher Radiomusikkultur zurück, vom Swing bis zum Rap, von den Comedian Harmonists über Catarina Valente und Freddy Quinn bis Trio, Nena und Kraftwerk, und lässt auch dabei die DDR mit den Puhdys und dem Lipsi nicht aus. Von AFN, über Beat-Club und die Love Parade bis zu Euro-Dance.
Über 200 Exponate werden auf der chronologischen Musikzeitreise in neun Themenstationen präsentiert, die links und rechts des Weges – nennen wir‘s Mainstream – wie aufgeklappte Plattenalben hergerichtet sind und mit Sound-Lounges zum Verweilen einladen. Bilder, Plakate, Filme, erläuternde Texte, Mode, Accessoires und Devotionalien rufen jeweils den Zeitgeist wach. Und Reliquien natürlich, wie ein weißer Show-Anzug von James Last, der Seesack für die Fanpost von Elvis in seiner Bad Nauheimer Zeit oder auch ein Mikro aus dem legendären Frankfurter AFN-Studio.
Und die Musik? Die spielt in transportablen Kopfhörern auf, die man am Eingang erhält und an pilzförmigen Säulen oft mehrfach einstöpseln kann. Auf über acht Stunden addiere sich, was man da in Auszügen von 140 Interpreten hören könne, heißt es. Das klingt immens und ist es zumindest in Bezug auf die begrenzte Zeit eines Besuchs.
Auch wenn der Rundgang dazu verführt, nostalgisch die eigene Vergangenheit wachzurufen, lädt er auch dazu ein, sich mit nachgerade Unerhörtem näher zu befassen. Die Rolle des Swing als Protestkultur in Nazi-Deutschland ist ein nicht jedem vertrautes Feld, der Aufstieg der deutschen Schlagerkultur im Kontext des Wirtschaftswunders, deren Superstars Catarina Valente, Peter Alexander, Heintje und Freddy Quinn eines gemeinsam haben: keine Deutsche zu sein. Auch die Adaptionen des Beat und der Punkmusik in den beiden Deutschlands, ihre Vereinnahmung durch die Kulturindustrie auf der einen Seite und ihre Unterdrückung auf der anderen, sind Thema. Oder der auf den Schultern Karlheinz Stockhausens kreierte E-Sound als dem ersten autonomen deutschen Beitrag zur internationalen Populärkultur.
Ein Wunschkonzert in You-tube-Fülle ist die Hör- und Sehschau freilich nicht, dafür reichen auch acht Stunden Musik nicht. Moses Pelham, der bald die Goetheplakette der Stadt erhalten wird, habe vergeblich nach den Rödelheimer Hartreimern und Sabrina Setlur gesucht, weiß die FAZ. »Du kannst nicht alles haben« sang lang vor den Stones schon Roy Black.

Lorenz Gatt
Bis 25. Februar 2018: Di.–Fr. 9–18 Uhr; Sa., So. 11–19 Uhr
www.mfk-frankfurt.de

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