Museum Angewandte Kunst: Stefan Sagmeisters »The Happy Show«

Alles wird immer besser

Sechstausend Euro Mindesteinkommen für alle! Im Monat, versteht sich! Diese Forderung erhebt zwar noch niemand rund um »The Happy Show« des österreichischen Grafikers Stefan Sagmeister im MAK Frankfurt, sie wäre aber nach den dort präsentierten Fakten nicht mehr als konsequent. Schließlich hat ein gewisser Danny Gibbert herausgefunden, dass das Gefühl, glücklich zu sein, nur bis etwa 85.000 Dollar Jahressalär materiell mitbedingt ist. Darüber werde es unwesentlich, steige der Glücksquotient nicht mehr.  
Zum Glück muss man an zwei riesigen Affen vorbei. Aufgeblasen, in jedem Sinne, laden die Gummiriesen vom Dach und über dem Eingang des Richard-Meier-Baus ein. Frankfurt kann sich übrigens lucky schätzen, die multimediale Happy-Schau zu beherbergen  Es ist die einzige deutsche Station nach Paris, Wien und Nordamerika. Womit auch klar gemacht ist, um welche Art von Glück es hier geht.
Obwohl auch Experten genügend Stoff finden, sich an den typografischen, filmischen und ästhetischen Finessen der Handschrift Sagmeisters zu delektieren, braucht es keinerlei Fach- und Vorkenntnis, seine Botschaften, Ratschläge und Demonstrationen zu verstehen oder gar zu genießen. Er sei kein Künstler, betont der Wahl-New-Yorker, der seine Arbeiten noch lieber als im Museum in einem Arbeitsamt zeigen würde. Auf die Frage, was ihn dazu bewegt habe, seine Schau in grelles Gelb zu kleiden, meint er nur, dass ihm die Farbe so gut gefalle. So einfach und unkompliziert gibt sich der Mann.
Ein schönes Beispiel für Sagmeisters Zugriff liefert die Abteilung »Now Is Better!« mit einem etwa drei Minuten dauernden Computeranimationsfilmchen, das diese simple Botschaft zu einer softrockigen Musik in fließende ineinander übergehende Buchstabengebilde aus weißen Zuckerwürfeln, rotem Gelee, gelben Eidottern, blauen Eierbechern und grünen Algen gießt. Der Film setzt die Erkenntnis des nordamerikanischen Evolutionspsychologen Steven Pinker in seinem Buch »Gewalt« um, dass die Menschheit seit Beginn unserer Zeitrechnung immer friedlicher werde. Laut Pinker, der so ziemlich das Gegenteil von Sigmund Freud vertritt, schrumpft der Anteil der durch fremde Gewalt sterbenden Menschen von Jahrhundert zu Jahrhundert, was trotz zweier Weltkriege und dem Holocaust auch für das vergangene zutreffe. Eine andere verblüffende Erkenntnis ist die, dass die Aussicht, ermordet zu werden, in der hochkriminellen Killer-City Detroit um ein Mehrfaches geringer ist als auf der für ihren Zauber geliebten Urlauberinsel Bali. Wie alles sich zum Guten wendet, entnimmt Sagmeister auch seiner eigenen Biografie. Vor 100 Jahren, schreibt er schwarz auf gelb, hätten noch seine Eltern seinen Beruf, seinen Lebensmittelpunkt und sogar seine Ehefrau bestimmt.
Alle Objekte, aber auch die Fahrstühle, den Eingang, die Toiletten hat Sagmeister mit Bildern, handschriftlichen Notizen oder persönlichen Kommentaren versehen, die er teils kurz vor dem Start der Schau in einer Nachtaktion schrieb. Immer neue Glücksanstöße bieten die knapp 20 Stationen des Parcours, an dessen Beginn der Druck auf einen roten Knopf eine Aufgabe parat hält. Jede 50. weist eine Mobilnummer Sagmeisters aus, der man einen Witz zusimsen soll. Aber es kann auch ein Tanz vor einem virtuellen Spinnennetz sein, in dem man sich als Schatten sieht. Im Fahrstuhl steht, dass kein Mensch verpflichtet sei, sich fortzupflanzen, die Aufzugtür wird beim Auf- und Zugehen zur Comic-Animation eines Analverkehrs. Eine Daumenkino-Streifen mit bemalten Eierschalen handelt unbewusste Entscheidungen wie die ab, dass viel mehr Paulas einen Paul ehelichen, als es statistisch wahrscheinlich wäre. Und Grafiken verraten, dass es vor allem die fehlenden Gelegenheiten sind, die Männer zur Treue verleiten, und dass leidenschaftliches Glück allen Eheversprechen und Schlagerliedern zum Trotz kaum länger als sechs Monate währt. Überraschender ist, dass die beste Aussicht aufs Glücklich-Sein den Besuchern von Gottesdiensten beschieden ist.
Und, und, und. Der schlaksige 1,90-Mann mit der schwarzen Tolle in der Stirn verrät in Filmen aber auch viel von seiner persönlichen Suche nach dem Glück, die ihn zu Drogen, Pharmaka, aber auch zur Meditation führte. Seine klebrigen Ingwer-Lieblingsbonbons aus Java schmecken noch fürchterlicher als die gelbe Kaugummikugel, die man sich zum Abschluss aus jenem der von Eins bis Zehn bezifferten Behälter ziehen darf, der dem eigenen Glücksgefühl entspricht. Am häufigsten wurden die Acht und die Neun gewählt. Mehr muss man nicht sagen.

Lorenz Gatt (Foto: Stefan Sagmeister, © John Madere)
Bis 25. September 2016: Di. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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