Museum Angewandte Kunst: Draußen im Dunkel

Museum Angewandte Kunst: Draußen im Dunkel (Foto: Rosa Mark)Schwarzarbeit in Mode

Wenn die Mode aus der Mode kommt, dann wird es Mode sein, sich nach keiner Mode zu kleiden. So ähnlich hat der Couturier Karl Lagerfeld den Gedanken formuliert, dass es kein Entrinnen vor der Mode geben kann. Das Museum Angewandte Kunst (MAK) steht mit der Ausstellung »Draußen im Dunkel« womöglich vor einem ähnlichen Dilemma, wenn es denn eines ist. Diese handelt unter dem Motto »Weitermachen nach der Mode« von den Arbeiten und dem Selbstverständnis eines knappen Dutzends von Modedesignern in der Tradition der Anti-Mode eines Yohji Yamamoto. Trotz aller wissenschaftlichen und dokumentarischen Ansprüche eines dem Kunsthandwerk verpflichteten Museums ist »Draußen im Dunkel« aber auch eine ziemlich verrückte Modenschau, auf der man sich bisweilen ins pfingstliche Leipzig zum Gothic-Treffen versetzt fühlt. Die vielen jungen und überwiegend weiblichen Besucher des neu bespielten Richard-Meier-Hauses sprechen da für sich.

Indes gibt es im MAK nichts zu sehen, das mit dem Label »keine Mode« gefertigt wäre. Die neueren, aber auch die historischen Exponate verraten eher einen skeptischen, distanzierten oder auch ratlosen gesellschaftlichen Bezug. Melancholie steht auf der Fahne und in jeder dritten Zeile des Prospekts. Und schwarz ist ihre Farbe, meistens jedenfalls. Gleich im ersten der separierten Räume kommt, gewissermaßen als theoretische Grundierung, der Meister selbst, Yamamoto, zu Wort, der Wegbereiter des mit Hiroshima- und Heroine-Chic provokativ karikierten Antistils, der es trotzdem zum Schöpfer der Adidas-Linie Y3 geschafft hat und sich per Video darüber auslässt, weshalb das kein Widerspruch ist. Auch das Maison Martin Margiela repräsentiert die erfolgreichen Pioniere. Das sich als Marke leugnende Label wurde mit umgestülpten und recycelten Textilien und Vernissagen auf Baustellen shocking bekannt. Nicht weit entfernt davon: die Ideen des 2012 verstorbenen Alexander McQueen, der für seine Superlippen-Models häufig auf dem Sperrmüll fündig wurde und hier mit einem Modenschau-Video und einem schwarzen Mantel präsent ist.

Die neue Designer-Generation hat zumindest den Punk-Minimalismus vergessen, bei ihr steht das Handwerk in hohem Rang. Die filigranen Schwarzarbeiten des deutsch-französischen Designerinnen-Duos Augustin Teboul zeugen von einer hohen, der Tradition verpflichteten Kunstfertigkeit im Häkeln, Stricken oder Klöppeln. Für die Ausstellung haben sie eine mehrbeinige, spinnengleiche Puppe mit hauchdünnen Netzen von Mustern überzogen, die einem mit Fug und Recht spanisch vorkommt.

Dagegen gibt sich das gemischte Duo Garland Coo pro-provinziell ganz dem Schwarzwald hin. »Essence« heißt seine Installation mit einem von der Decke hängenden Etwas aus Leder in einem finsteren, kreisrunden Raum, dessen Wände aus Lautsprechern bestehen, aus denen man heimatliche Klänge vernimmt: Wind, Wasser und Schläge von Holzfällern vielleicht. Die schwarze kopflose Puppe auf dem Boden nicht zu vergessen, ein Hermaphrodit.

Am radikalsten kommt der in Barcelona residierende Münchener Designer Boris Bidjan Saberi mit einem Beitrag aus zwei ziemlich schauerlich aussehenden nackten grünstichigen Puppen daher. Leicht gebeugt, ohne Kopf und Geschlecht, schön ist anders. Mode sei eine Sache des Tragens und nichts zum Behängen regloser Körper. Eine Position ist eine Position ist eine Position.

Der Andalusier Leandro Cano endlich zeigt aus seiner Serie »Buffet« dann doch an drei Beispielen, wie wunderschön bunt Mode sein kann. Knallrot der Mantel aus Cotton-Twill, manila der gestrickte Einteiler und in gedämpften Tönen der blumengemusterte, bodenlange Ballonrock. Die vor einem Spiegel plazierten Figuren wenden sich wie auf der Flucht von ihren Ebenbildern ab, als hätten sie erkannt, dass sie in diesem Outfit auf der falschen Party gelandet sind. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn schon keine Mode, dann eine schöne.

Lorenz Gatt
Bis 15. September
(und wahrscheinlich länger):
Di.–So. 10–18 Uhr; Mi. bis 20 Uhr

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