Mikro- und Makrokosmos – Klassik-Konzerte im Juni

Magisch 1

Mit großem Vergnügen ist zu lesen, dass der finnische Jazz-Pianist Iiro Rantala in der Romanfabrik zu erleben sein wird. Intime Musik wird zu hören sein, die sich im angemessenen, quasi kammermusikalischen Rahmen der Romanfabrik entwickeln darf. Rantala ist, wie viele seiner musikalischen Landsleute, ein Multitalent und gibt sich mit reproduzierender Kunst allein nicht zufrieden. Als Student der Sibelius-Akademie in Helsinki hat er sich in die »klassische« Musik vertieft, in New York den Jazz aufgesogen – und seither verdichtet er beide Strömungen in seinen unnachahmlichen Improvisationen. Er kann sich, geradezu introvertiert wie der frühe Keith Jarrett oder der späte Abdullah Ibrahim, in Bachs »Goldbergvariationen« hineinträumen und absorbiert sie ganz selbstverständlich in eine völlig andere, durchaus neue Klangwelt. Faszinierend auch sein Musizieren mit ebenso begnadeten Musikern wie dem Geiger Pekka Kuusisto in »Subterraneo« oder in seinem eigenen Klavierkonzert mit der Tapiola Sinfonietta: da tauchen, ohne sie wirklich zu kopieren, der finnische Nationalkomponist Jean Sibelius ebenso in seinem Mikrokosmos auf wie Oscar Peterson oder der unvergessene Michel Petrucciani. In einem Interview nennt Rantala seine Art, Musik zu gestalten, Jazz, lächelt dabei aber verschmitzt und fügt hinzu, auch vor Pop, Folk und Schlagern nicht haltzumachen – er wolle aber deshalb nicht mit einem Richard Clayderman verwechselt werden. Wichtig sei ihm, dass seine Melodien im besten Fall in den Ohren seiner Zuhörer lange nachklingen. Wenn seine unkonventionellen, vielschichtigen Improvisationen und Balladen in der Romanfabrik erklingen, so wird es genau in der Atmosphäre passieren, die der Finne Rantala liebt: an einer Bar, dort, wo ihm die Hörer in Finnland schon lange zu Füßen liegen.

Termin: 5. Juni, 20 Uhr, Romanfabrik, Hanauer Landstr. 186
Karten zu 20 € (erm. 15 €) über Tel.: 069/49 40 902

 

Kleine Auszeiten

… vom Alltagstrubel gibt es immer wieder im Nebbienschen Gartenhaus, Bockenheimer Anlage, versteckt hinter dem hübsch-hässlichen Hilton Hotel. Der Frankfurter Künstlerclub, gefördert vom Amt für Wissenschaft und Kunst der Stadt Frankfurt und der Fraspa, bietet seit Jahrzehnten (meist) jungen Künstlern ein reizvolles Podium für besondere Programme. Das Publikum genießt nicht nur die musikalischen Darbietungen, sondern ist im kleinen Jugendstil-Ambiente umrahmt von Bildern meist wenig bekannter, aber immer spannender Künstler. Diesmal zeigt der Frankfurter Fotograf Günther Uttecht »Verborgene Landschaften«: Motive gewissermaßen vom Straßenrand. Makroaufnahmen von Baustellen, Gebrauchsspuren, die wie abstrakte Gemälde anmuten und keine Rückschlüsse mehr auf die fotografierten Objekte zulassen. Insofern durchaus geeignet, das Konzert mit »Sonatenvariationen« von Mozart, Reinicke, Hindemith und Mike Tower  visuell zu ergänzen. Denn was sind Variatonen anderes als Veränderungen musikalischer Themen. Allerdings lassen diese (meist) noch Rückschlüsse auf ursprüngliche Seelenlandschaften ihrer Komponisten erkennen. Mit auf der Suche nach »verborgenen Landschaften« sind bei dieser Matinee Frank Schallmayer (Flöten) und Michiro Ito (Klavier).

Termin: 15. Juni, 11 Uhr, Nebbiensches Gartenhaus, Bockenheimer Anlage
Eintritt frei (Spenden von ca. 10 € erbeten)

 

Magisch 2

Wenn der langjährige Chef des hr-Sinfonieorchesters und Ehrendirigent, Eliahu Inbal, nach längerer Zeit mal wieder am Pult »seines« Orchesters steht, so macht er es, wie stets, weder sich noch dem Publikum einfach. Repertoirestandards waren und sind seine Sache nicht. Und so hat er diesmal zwei gewichtige sinfonische Brocken im Gepäck, die sich durchaus in ihrer Abgrundtiefe ergänzen. Da ist zum einen die »Totenfeier« zu hören, Gustav Mahlers erster Entwurf des gewaltigen, fast halbstündigen ersten Satzes seiner 2. Sinfonie, besser bekannt geworden als die »Auferstehung«. Zwischen diesem orchestralen Monolithen und der Vollendung des gesamten Werkes lagen fast sechs Jahre, so daß der Gedanke naheliegt, daß mit dem marschartigen Gestus der »Totenfeier« ein Heraustreten aus den Spuren (oder zu Gabe tragen) des »Titan« seiner ersten Sinfonie verstanden sein mochte. Inbal konfrontiert diese Totenfeier durchaus folgerichtig mit Leonard Bernsteins 3. Sinfonie, der das »Kaddish« zugrundeliegt, das jüdische Totengebet. Nicht nur diese Assoziation ist naheliegend, sondern besonders auch Bernsteins Tonsprache selbst, hat er sich doch stets als Interpret und kompositorisch ein Leben lang mit Mahler auseinandergesetzt. Parallelen sind gewollt.
Das 1963 kurz nach dem Tod John F. Kennedys uraufgeführte (und ihm gewidmete) Werk ist für Solo, Chor und Orchester. Die von Bernstein selbst verfassten Texte sind – auch von ihm – mehrfach umgearbeitet worden, zuletzt vor etwa 10 Jahren durch Tochter Jamie und Samuel Pisar, einen Überlebenden des Holocaust. Diese Fassung, gelesen vom Autor, wird unter Leitung des unangefochtenen Mahler-Exegeten Eliahu Inbal in den nächsten Abo-Konzerten erklingen. Unterstützt wird er bei Bernsteins »Chorsinfonie« u.a. durch den Tschechischen Philharmonischen Chor, mit dem er als derzeitiger Chef der renommierten Tschechischen Philharmonie wohl nicht zum letzten Mal zusammenarbeitet.

Termine: 12. und 13. Juni, jeweils 20 Uhr, Alte Oper
Karten ab 17 € bei hr-Ticketcenter, Tel.: 069/155 2000
Bernd Havenstein

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